Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung des sog. Herstellerrabatts durch das pharmazeutische Unternehmen gegenüber dem Apothekenbetreiber

 

Orientierungssatz

1. Der Betreiber einer Apotheke hat einen Anspruch gegen den pharmazeutischen Hersteller auf Erstattung des Betrags, den er gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen als Preisnachlass in Höhe von 6 % auf den Herstellerabgabepreis gewährt, nur dann, wenn er dem Rahmenvertrag nach § 129 SGB 5 beigetreten ist. Die Geltung des gesetzlichen Anspruchs gemäß § 130a Abs. 1 S. 2 SGB 5 gegenüber Dritten konnten die Vertragsparteien durch Einzelverträge nicht vereinbaren.

2. Die Regelung ist verfassungsgemäß. Sie schließt ausländische Apotheken nicht von der Abwicklung des Herstellerrabatts und damit auch den Erstattungsanspruch gegenüber dem Arzneimittelhersteller aus. Die Norm ist in Bezug auf den Sitz der Apotheke neutral.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 29.11.2016; Aktenzeichen B 3 KR 21/16 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. November 2014 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 1.374.778,07 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung des sog. Herstellerrabatts gemäß § 130a Abs. 1 S. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Höhe von 1.374.778,07 € zzgl. Zinsen.

Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz in A-Stadt/Niederlande. Sie betreibt eine Apotheke, die insbesondere im Wege des Versandhandels Arzneimittel an Versicherte der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgibt. Die Beklagte ist ein als GmbH geführtes Pharmaunternehmen.

In den Jahren 2003 bis 2008 belieferte die Klägerin Versicherte der GKV mit Arzneimitteln, die diese Versicherten unter Vorlage ärztlicher Verordnungen bei ihr bestellten. Die Arzneimittel erwarb die Klägerin bei deutschen Großhändlern, die die Ware an den Sitz der Klägerin in den Niederlanden sandten. Die Verordnungen hatten Vertragsärzte nach den Vorgaben des Leistungserbringungsrechts des SGB V ausgestellt. Die Kosten für die Arzneimittellieferungen stellte die Klägerin den jeweiligen gesetzlichen Krankenkassen der Versicherten in Rechnung. Hierzu bediente sie sich einer der Datenverarbeitungsgesellschaften, die die Abrechnung zwischen Apotheken und gesetzlichen Krankenkassen nach dem sogenannten automatisierten Verfahren gemäß § 300 SGB V durchführen. Die Vergütungsabwicklung zwischen der Klägerin und den gesetzlichen Krankenkassen erfolgte also in den technisch-administrativen Strukturen, die für die Leistungserbringung von Apotheken innerhalb Deutschlands normativ und technisch entwickelt worden waren.

Als rechtliche Grundlage dieser Belieferungs- und Vergütungsstruktur schloss die Klägerin mit nahezu allen gesetzlichen Krankenkassen Verträge ab. Gesetzliche Grundlage für diese Verträge war der zum 01.01.2004 eingeführte § 140e SGB V, der Krankenkassen erlaubt, mit Leistungserbringern aus anderen Staaten der Europäischen Union nach Maßgabe des Dritten Kapitels des SGB V Verträge zu schließen. In diesen Verträgen vereinbarten die Vertragsparteien die Abrechnung der von der Klägerin erbrachten Leistungen "analog der nach § 129 SGB V mit den deutschen Apothekerverbänden geschlossenen Rahmenregelung eines Arzneimittelliefervertrages".

Bei der Abrechnung der Arzneimittellieferungen wurde § 130a SGB V in der jeweils geltenden Fassung in die Preisberechnung eingestellt. Die Klägerin reduzierte daher den jeweiligen Rechnungsbetrag für Fertigarzneimittel um 6 von Hundert (im Jahr 2004 um 16 von Hundert) des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmens.

Von der Beklagten forderte die Klägerin sodann die Erstattung dieser Abschläge, soweit sie auf die Lieferung von Arzneimitteln entfielen, die von der Beklagten hergestellt worden waren. Dabei berief sich die Klägerin auf § 130a Abs. 1 S. 2 SGB V (a.F., heute S. 3). Er bestimmt, dass pharmazeutische Unternehmer verpflichtet sind, Apotheken den Abschlag zu erstatten, den diese gemäß § 130a Abs. 1 S. 1 (und heute S. 2) SGB V den Krankenkassen zu gewähren haben.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr dieser Erstattungsanspruch gemäß § 130a Abs. 1 S. 2 SGB V (a.F.) zusteht. Dafür beruft sie sich darauf, dass sie seit 2003 am Sachleistungsprinzip der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung teilnehme. Das Unionsrecht garantiere ihr den Zugang zu diesem Sachleistungssystem. Der deutsche Gesetzgeber habe mit Wirkung zum 01.01.2004 deshalb durch § 140e SGB V die Möglichkeit geschaffen, dass die gesetzlichen Krankenkassen Einzelverträge mit einem Leistungserbringer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union schließen können. Dies habe sie genutzt und entsprechende Verträge abgeschlossen. Deshalb sei sie auch berechtigt, die im SGB V für (Sach-)Leistungserbringer vorgesehenen Ansprüche geltend zu machen.

Da die Beklagte sich der Forderung widersetzte, erhob die Klägerin am 16.12.2003 Kla...

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