Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Statthaftigkeit der Anhörungsrüge gegen die Zurückweisung eines Richterablehnungsgesuchs. Nichtigkeitsklage. Senatszugehörigkeit und Nichterwähnung von Adelsprädikaten als Namensbestandteil eines Beteiligten im Rubrum als Ablehnungsgründe. Entscheidung des Spruchkörpers unter Mitwirkung des abgelehnten Richters. Substantiierte Darlegung einer Verletzung des rechtlichen Gehörs
Leitsatz (amtlich)
1. Gegen die Entscheidung über ein Richterablehnungsgesuch ist die Anhörungsrüge nach § 178a SGG aufgrund der Bindungswirkung für das weitere Verfahren statthaft.
2. Zur Zulässigkeit der "Nichtigkeitsklage" nach § 179 SGG gehört, dass ein Prozessverstoß behauptet wird, der unter § 579 ZPO subsumiert werden kann.
3. Weder die Senatszugehörigkeit als solche noch die Nichterwähnung von Seiten eines Beteiligten als Namensbestandteil beanspruchten, aber nicht amtlich festgestellten Adelsprädikaten im Rubrum sind geeignet, den Eindruck der fehlenden Unvorgenommenheit eines Richters/einer Richterin zu begründen.
4. Im Falle der Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuchs darf auch der abgelehnte Richter mitwirken (vgl BVerfG vom 2.7.2007 - 1 BvR 2228/06 = NJW 2007, 3771).
Normenkette
SGG § 60 Abs. 1, § 136 Abs. 1 Nr. 1, § 178a Abs. 1, 2 S. 6, § 179 Abs. 1; ZPO § 42 Abs. 2, § 45 Abs. 1, § 579 Abs. 1
Tenor
I. Die Anhörungsrüge des Antragstellers gegen den Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. April 2013 wird als unzulässig verworfen.
II. Der Antrag des Antragstellers auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. April 2013 wird als unzulässig verworfen.
III. Das Gesuch des Klägers vom 30. Mai 2013, die dem 1. Senat zugewiesene Richterin am Landessozialgericht Weihrauch, die im Verfahren L 7 SF 3/13 AB vertretungsweise mitwirkt, wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Die am 30. Mai 2013 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 29. April 2013 ist unzulässig.
Nach § 178a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn
1. ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben
ist und
2. das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Zwar ist die Anhörungsrüge nur gegen Endentscheidungen statthaft, gegen die kein Rechtsmittel oder anderer Rechtsbehelf gegeben ist (Leitherer in Meyer-Ladewig Keller Leitherer § 178a Rdnr.3). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts handelt es sich jedoch bei zurückweisenden Entscheidungen eines Richterablehnungsgesuchs nicht nur um der Endentscheidung vorausgehende Entscheidungen im Sinne des § 178a Abs. 1 Satz 2 SGG, sondern um sogenannte selbständige Zwischenverfahren, weil die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch Bindungswirkung für das weitere Verfahren entfaltet und durch andere Instanzen nicht mehr nachgeprüft werden kann (s. BVerfG, Beschl. v. 23. Oktober 2007 - 1 BvR 782/07 - BVerfGE 119, 292 = NZA 2008, 1201; s.a. BVerfG Beschl.v. 6. Mai 2010 - 1 BvR 96/10 - NZS 11, 92). Damit ist die Anhörungsrüge vorliegend statthaft, da gegen den Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts kein weiteres Rechtsmittel statthaft ist.
Zulässigkeitsvoraussetzung der Anhörungsrüge ist indes des Weiteren gemäß § 178a Abs. 2 Satz 6 SGG, dass die Rüge das Vorliegen der Voraussetzungen des § 178a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG - nämlich die Verletzung des Anspruchs der Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise durch das Gericht - darlegen muss (s. BSG, Urteil vom 7. April 2005 - B 7a AL 38/05 B = SozR 4 - 1005 § 178a Nr. 2). Als Mindestanforderung verlangt ein Darlegen im Sinne des § 178a Abs. 2 Satz 6 SGG einen substantiierten Vortrag, aus dem sich ableiten lässt, zunächst in welcher Weise das rechtliche Gehör nicht gewährt worden ist sowie des Weiteren, weshalb ohne den Verstoß eine günstigere Entscheidung nicht ausgeschlossen werden kann (siehe BGH, Urteil v. 21. November 2007 - IV ZR 321/05 - NJW 2008, 378; siehe auch Berchthold in Henning, SGG, § 178a Rn 126 ff.). Diese Darlegung von Gehörsverletzungen im Rahmen der fachgerichtlichen Anhörungsrüge wurde letztlich auch durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt, die dies als Voraussetzung für die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde ansieht (vgl. BVerfGE v. 27. Juni 2007 - 1 BvR 1470/07 - NJW 2007, 1354).
Der Vortrag des Antragstellers lässt in keiner Weise erkennen, inwieweit die behaupteten Verstöße zu einer anderen Entscheidung hätten führen können (siehe dazu Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 10. Auflage § 178a SGG Rn. 5b). Dies gilt zum einen für die behauptete falsche Sachverhaltsdarstellung, die offensichtlich jeglicher Grundlage entbehrt. Selbst bei Wahrunterstell...