Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Formerfordernis bei Berufungseinlegung durch eine elektronische Übermittlung des Schriftsatzes

 

Orientierungssatz

Eine Berufung kann elektronisch nur dann wirksam eingelegt werden, wenn der elektronisch übermittelte Schriftsatz mit einer qualifizierten elektronischen Signatur, die von durch Rechtsverordnung im betreffenden Land zugelassen wurde, versehen ist. Dagegen genügt die Benutzung des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs durch Übersendung einer nicht qualifiziert elektronisch signierten EGVP-Nachricht nicht den Formerfordernissen einer Berufungseinlegung.

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 11. Februar 2015 im Verfahren S 6 AS 805/14 und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 11. Februar 2015 im Verfahren S 6 AS 829/14 werden als unzulässig verworfen.

II. Die Beteiligten haben einander auch für die Berufungsverfahren in beiden Verfahren keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird in beiden Verfahren nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der vorläufig bewilligten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) im Zeitraum Januar bis Juni 2014 in Streit.

Die seit dem Jahr 2012 im Leistungsbezug nach dem SGB II stehende Klägerin hat am 3. Dezember 2014 (Verfahren S 6 AS 805/14) und mit identischem Schriftsatz nochmals am 11. Dezember 2014 (Verfahren S 6 AS 829/14) Klagen beim Sozialgericht Kassel gegen einen Bescheid des Beklagten vom 31. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. November 2014 erhoben mit dem Ziel, höhere Leistungen für den Zeitraum 1. Januar bis 30. Juni 2014 zu erstreiten.

Das Sozialgericht hat die Klage im Verfahren S 6 AS 805/14 mit Urteil vom 11. Februar 2015 als unbegründet und die Klage im Verfahren S 6 AS 829/14 mit Urteil vom 11. Februar 2015 wegen doppelter Rechtshängigkeit als unzulässig abgewiesen. Die Urteile sind der Klägerin jeweils am 28. März 2015 mit Postzustellungsurkunde (Gerichtsakte S 6 AS 805/14 Blatt 34, Gerichtsakte S 6 AS 829/14 Blatt 32) zugestellt worden.

Am 27. April 2015 hat die Klägerin beim Hessischen Landessozialgericht Berufung u.a. gegen das Urteil im Verfahren S 6 AS 805/14 (L 6 AS 258/15) und gegen das Urteil im Verfahren S 6 AS 829/14 (L 6 AS 254/14) erhoben. Die Schriftsätze sind per EGVP ohne qualifizierte elektronische Signatur im Format xsl und xml bei Gericht eingegangen (Gerichtsakte S 6 AS 805/14 Blatt 37 f., Gerichtsakte S 6 AS 829/14 Blatt 35 f.). Am 6. Mai 2015 hat die Klägerin erneut mit Schriftsatz vom 5. Mai 2015 Berufung gegen ein Urteil im Verfahren S 6 AS 805/14 (Gerichtsakte Blatt 42 - 49) und gegen ein Urteil im Verfahren S 6 AS 829/14 (Gerichtsakte Blatt 38 - 45) eingelegt. Auch diese Schriftsätze sind per EGVP ohne qualifizierte elektronische Signatur bei Gericht eingegangen.

Am 11. Mai 2015 ist der Schriftsatz der Klägerin vom 5. Mai 2015 erneut beim Hessischen Landessozialgericht in beiden Verfahren eingegangen, dieses Mal mit eigenhändiger Unterschrift in Kopie.

Mit Beschluss vom 13. August 2015 hat das Gericht das Verfahren L 6 AS 254/15 mit dem Verfahren L 6 AS 258/15 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Die Berichterstatterin hat mit Schreiben vom 18. Februar 2016 im führenden Verfahren L 6 AS 258/15 darauf hingewiesen, dass gemäß § 158 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beabsichtigt sei, durch Beschluss zu entscheiden und Frist zur Stellungnahme binnen zwei Wochen gesetzt. Der Beklagte hat sich mit Schreiben vom 22. Februar 2016, die Klägerin hat sich mit Schreiben vom 3. März 2016 und weiteren Schreiben hierzu erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, der Grundlage dieser Entscheidung ist.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat kann nach § 158 S. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 11. Februar 2015 im Verfahren S 6 AS 805/14 (L 6 AS 258/15) ist unzulässig. Ebenso ist die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 11. Februar 2015 im Verfahren S 6 AS 829/14 (L 6 AS 254/15) unzulässig.

Die Klägerin hat keine fristgerechten Berufungen zum Hessischen Landessozialgericht binnen Monatsfrist eingelegt.

Die angegriffenen Urteile sind der Klägerin am 28. März 2015 zugestellt worden. Die Rechtsmittelbelehrungen der angefochtenen Urteile sind fehlerfrei, so dass die Berufung jeweils formgerecht binnen Monatsfrist zu erheben gewesen wäre (§ 151 Abs. 1, § 64 SGG). Die Frist zur Einlegung der Berufung lief damit bis Dienstag, den 28. April 2015. Bis zu diesem Tag sind in den beiden Verfahren kein von der Klägerin unterschriebener Berufungsschriftsatz und auch kein Berufungsschriftsatz mit qualifizierter elektronischer Signatur ...

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