Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsfolgen der Nichtigerklärung der Vorschriften der §§ 4a bis 4d BEEG über den Anspruch auf Betreuungsgeld durch das BVerfG
Orientierungssatz
1. Das BVerfG hat mit Urteil vom 21. Juli 2015 - 1 BvF 2/13, die Nichtigkeit der §§ 4a bis 4d BEEG mangels Gesetzgebungskompetenz des Bundes festgestellt. Dabei hat es ausdrücklich von einer Übergangsregelung abgesehen.
2. Lediglich nicht mehr anfechtbare Bewilligungsbescheide bleiben von der Nichtigerklärung der zugrunde liegenden Normen unberührt. Die Nichtigerklärung der Vorschriften bewirkt den Wegfall der Rechtsgrundlage auch dann, wenn der Leistungsantrag vor der Entscheidung des BVerfG gestellt, aber nicht beschieden worden ist.
3. Die Rechtmäßigkeit eines bestandskräftigen Bescheides kann nur im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB 10 geprüft werden. Durch ein solches Verfahren kann jedoch lediglich ein rechtmäßiger Zustand hergestellt werden. Eine nachträgliche Zuerkennung des geltend gemachten Leistungsanspruchs scheitert aber an dem zwischenzeitlich erfolgten Wegfall der gesetzlichen Rechtsgrundlage im Wege der Nichtigerklärung durch das BVerfG.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 19. Dezember 2016 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch in der Berufungsinstanz keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung von Betreuungsgeld nach den Vorschriften des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) streitig.
Die Klägerin, jemenitische Staatsangehörige, und ihr Ehemann, C. A., sind Eltern des 2014 geborenen Kindes D. Sie stellten am 12. Februar 2015 Antrag auf Betreuungsgeld für die Zeit ab dem 15. Lebensmonat des Kindes. Zuvor hatte die Klägerin bis zum 14. Lebensmonat des Kindes und damit für die Zeit bis zum 7. Juni 2015 Elterngeld in Höhe des monatlichen Sockelbetrages von 300,00 € bezogen (der Ehemann der Klägerin bezog einkommensabhängiges Elterngeld für den 4. und 5. Lebensmonat des Kindes).
Der Beklagte bewilligte der Klägerin durch Bescheid vom 17. Februar 2015 für den 15. bis 25. Lebensmonat (8. Juni 2015 bis 7. Mai 2016) Betreuungsgeld in Höhe von 150,00 € monatlich. Ergänzend teilte der Beklagte mit, über den beantragten Bezugszeitraum habe nicht vollständig entschieden werden können. Der Anspruch ende am 7. Mai 2016, weil die Klägerin nicht im Besitz eines über diesen Zeitpunkt hinaus geltenden Aufenthaltstitels sei. Über den entsprechenden Zahlungsanspruch werde nach Vorlage eines neuen weitergehenden Aufenthaltstitels entschieden. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Durch weiteren Bescheid vom 27. Oktober 2015 lehnte der Beklagte die Weitergewährung von Betreuungsgeld über den 7. Mai 2016 hinaus bis zum 7. April 2017 mit der Begründung ab, das Bundesverfassungsgericht habe mit Urteil vom 21. Juli 2015 (1 BvF 2/13)§§ 4a bis 4d des BEEG rückwirkend für nichtig erklärt. Die Rechtsgrundlage für die Gewährung von Betreuungsgeld sei damit entfallen.
Die Klägerin erhob über ihren Ehemann Widerspruch am 10. November 2014 (persönliche Vorsprache) bzw. 17. November 2015 (schriftlich) und legte ihren Personalausweis vom 23. Oktober 2015 vor. Sie machte geltend, sie habe zwischenzeitlich die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Aus diesem Grund bitte Sie um Weiterbewilligung des Betreuungsgeldes bis zum 7. April 2017, wie es von Anfang an geplant gewesen sei.
Durch Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2015 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung verwies der Beklagte erneut auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2015 sowie darauf, dass diese Entscheidung mit der Verkündung Rechtskraft erlangt habe. Hierdurch sei die Rechtsgrundlage für die Bewilligung von Betreuungsgeld nicht mehr gegeben. Das Betreuungsgeld sei hier im Übrigen entsprechend der befristeten Gültigkeit des Aufenthaltstitels bis zum 25. Lebensmonat des Kindes befristet bewilligt worden. Die bestandskräftige Bewilligung bleibe von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts unberührt. Eine darüber hinausgehende Bewilligung, nach der Vorlage des Personalausweises, könne aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr erfolgen.
Mit der am 4. Januar 2016 zum Sozialgericht Gießen erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter und beantragte zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Durch Beschluss vom 3. März 2016 lehnte das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Die hiergegen am 14. April 2016 erhobene Beschwerde wies der erkennende Senat durch Beschluss vom 27. Juni 2016 mangels hinreichender Erfolgsaussicht zurück. Hierbei verwies der Senat auf seine bisherige Rechtsprechung.
Mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2016 teilten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, sie hätten der Klägerin angeraten, die Klage zurückzunehmen. Mit weiter...