Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenentscheidung. Untätigkeitsklage. Veranlassungsprinzip. Warte-/Sperrfrist. Richterliche Unabhängigkeit. Weisungsfreiheit. Gemeinsamer Arbeitgeber

 

Leitsatz (amtlich)

1. Entscheidet die Verwaltung nicht innerhalb der gesetzlichen Sperr- bzw. Wartefrist über einen Antrag, so gibt sie dem Antragsteller Veranlassung zur Erhebung der Untätigkeitsklage.

2. Etwas anderes gilt nur dann, wenn bei Klageerhebung erkennbar ist, daß ein zureichender Grund für die Untätigkeit der Verwaltung gegeben war. Dies setzt eine entsprechende Information des Antragstellers seitens der Verwaltung voraus.

3. Ein Beschwerdevorbringen, wonach es nicht zu vertreten sei, wenn ein Richter, der ebenfalls Bediensteter des Landes sei, dem gemeinsamen Arbeitgeber die Prozeßkosten auferlege, verkennt die verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der Richter im System der Gewaltenteilung.

4. Der Richter ist im Gegensatz zum Beamten in seiner rechtsprechenden Tätigkeit keinen Weisungen oder auch nur Empfehlungen von Organen der vollziehenden oder der gesetzgebenden Gewalt unterworfen.

 

Orientierungssatz

Das Beschwerdegericht hat nicht nur die Kostenentscheidung zu überprüfen, sondern hat selbständig auch zu den einschlägigen Streitfragen Stellung zu nehmen und je nach dem Ergebnis seiner Untersuchung die angegriffene Kostenentscheidung zu bestätigen, abzuändern oder eine andere Entscheidung zu treffen.

 

Normenkette

SGG § 193; GG Art. 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Beschluss vom 14.02.1992; Aktenzeichen S-12/V-1041/89)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluß des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. Februar 1992 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Kostentragung.

Am 7. April 1988 beantragte der im damaligen Jugoslawien lebende Kläger beim Versorgungsamt Frankfurt am Main die Gewährung von Beschädigtenversorgung. Der Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 16. Mai 1988 und 17. Juni 1988 auf, ärztliche Unterlagen vorzulegen. Am 18. August 1988 gingen die angeforderten Unterlagen in serbo-kroatischer Sprache ein und wurden am 9. September 1988 von einer Dolmetscherin in Fulda übersetzt.

Mit Aktenverfügung vom 30. September 1988 wurde der ärztliche Dienst um Überprüfung gebeten, welche Schädigungsfolgen vorlägen.

Der Kläger erbat am 28. November 1988 eine Sachstandsmitteilung, worauf der Beklagte am 29. November 1988 antwortete, daß die vorgelegten medizinischen Befunde zur Zeit durch den versorgungsärztlichen Dienst ausgewertet würden. Am 17. Januar 1989 wurde auf Veranlassung des ärztlichen Dienstes die Akte zur chirurgischen und internistischen Stellungnahme zur Versorgungsärztlichen Untersuchungsstelle in Kassel gesandt, wo sie am 25. Januar 1989 einging.

Am 8. Februar 1989 bat der Kläger um Bescheidung noch innerhalb der Sechsmonatsfrist.

Am 21. März 1989 erhob der Kläger bei dem Sozialgericht Fulda Untätigkeitsklage, die mit Beschluß vom 31. März 1989 an das Sozialgericht Frankfurt am Main verwiesen wurde.

Die versorgungsärztliche Stellungnahme der Versorgungsärztlichen Untersuchungsstelle Kassel ging am 25. März 1989 bei dem Beklagten ein. Durch Bescheid vom 11. April 1989 erkannte der Beklagte als Schädigungsfolge „Narben am linken Oberarm, oberhalb der vorderen Achselfalte links sowie im oberen Rücken rechts” an und lehnte die Gewährung von Beschädigtenrente ab. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.

Am 18. September 1989 erklärte der Kläger die Klage für erledigt und beantragte, die außergerichtlichen Kosten dem Beklagten aufzuerlegen. Mit Beschluß vom 14. Februar 1992 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main diesem Antrag stattgegeben, weil der Beklagte Anlaß zur Erhebung der Untätigkeitsklage gegeben habe. Der Beklagte habe den Kläger vor Klageerhebung nicht ausreichend über die Umstände der Verzögerung informiert.

Am 19. März 1992 hat der Beklagte Beschwerde eingelegt und insbesondere vorgetragen, daß in Anbetracht der unerledigten Anträge der Auslandsversorgung eine schnellere Bearbeitung nicht möglich gewesen sei. Eine Verzögerung von ca. drei Wochen sei unerheblich. Es sei im übrigen nicht zu vertreten, „daß ein Richter, der ebenfalls Bediensteter des Landes Hessen sei, dem gemeinsamen Arbeitgeber die Prozeßkosten auferlege.”

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Nach herrschender Auffassung hat das Gericht nach Erledigungserklärungen in der Hauptsache gemäß § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach sachgemäßem Ermessen über die Kosten zu entscheiden. Dabei ist u.a. der Sach- und Streitstand sowie das voraussichtliche Ergebnis des Verfahrens im Zeitpunkt der Erledigung zu berücksichtigen (Meyer-Ladewig, SGG, 3. Auflage 1987, § 193 Rd.Nr. 13; Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 193 Anm. 1). Darüber hinaus kann trotz fehlender Erfolgsaussicht ein Erstattungsanspruch aus dem Gesichtspunkt des Veranlassungsprinzips gegeben sein (vgl. LSG Bremen, Beschluß vom 15. November 1985 – L-5/BR 13/85 –, in...

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