Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Ruhen. Abfindung. Kausalzusammenhang zwischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Entstehung des Abfindungsanspruchs
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Arbeitslosengeldanspruch ruht nur, wenn entweder das Arbeitsverhältnis vorzeitig, d.h. ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist, beendet wird oder im Falle eines qualifizierten Kündigungsschutzes die fiktiven Fristen nach § 158 SGB III nicht eingehalten werden.
2. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht allerdings nicht, wenn es an dem gesetzlich vorausgesetzten Kausalzusammenhang zwischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Entstehung des Abfindungsanspruchs fehlt.
3. Für die Abfindung nach § 1a KSchG ist dieser Kausalzusammenhang aus dem Grund zu verneinen, dass die Zahlung generell kein Arbeitsentgelt enthält und zudem vorrangig der Entlastung der Arbeitsgerichtsbarkeit dient, indem gegen Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage eine Leistung erbracht wird, wie sie im arbeitsrechtlichen Verfahren sonst üblicherweise vereinbart oder erstritten wird.
Normenkette
SGG §§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 151 Abs. 1, § 153 Abs. 2, 4 Sätze 1-2; SGB III § 143a Abs. 1 S. 1 a.F., § 158; KSchG § 1a Abs. 2
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 1. März 2023 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) aufgrund einer Entlassungsentschädigung.
Die 1969 geborene Klägerin beendete mit Aufhebungsvereinbarung vom 9. Oktober 2018 ihr Arbeitsverhältnis mit der C. Lebensversicherung a.G. mit Ablauf des 31. Oktober 2018. Ausweislich der Präambel zur Aufhebungsvereinbarung wurde das Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes auf Veranlassung der Arbeitgeberin im gegenseitigen Einvernehmen aufgehoben. Gemäß § 2 der Aufhebungsvereinbarung verpflichtete sich die Arbeitgeberin, an die Klägerin zum Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 70.000 € brutto zu zahlen. Die Kündigungsfrist der Arbeitgeberin betrug ausweislich der Arbeitsbescheinigung damals vier Monate zum Monatsende. Daneben hatte die Klägerin nach der vorgelegten Arbeitsbescheinigung eine Urlaubsabgeltung zu beanspruchen. Der Urlaub hätte, sofern er im Anschluss an das Beschäftigungsverhältnis genommen worden wäre, noch bis einschließlich 21. November 2018 gedauert.
Am 10. Oktober 2018 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten persönlich arbeitslos, beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Wirkung zum 1. November 2018 und legte eine fachärztliche Bescheinigung ihrer behandelnden Neurologin und Psychiaterin vom 25. Oktober 2018 vor, wonach der Klägerin dringend zur Aufgabe ihrer jetzigen Arbeitsstelle geraten wurde, um eine weitere Verschlechterung des Gesundheitszustandes abzuwenden.
Mit Bescheid vom 5. November 2018 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Arbeitslosengeldanspruch in dem Zeitraum vom 1. November 2018 bis 28. Februar 2019 aufgrund der erhaltenen oder zu beanspruchenden Entlassungsentschädigung in Höhe von 70.000 € gemäß § 158 SGB III ruhe. Die Frist für eine ordentliche Kündigung sei nicht eingehalten worden, so dass die Klägerin Leistungen erst nach dem Ruhenszeitraum erhalten könne. Der Zeitraum, für den der Anspruch ruhe, werde aus 40 % der Arbeitgeberleistungen berechnet. Der sich so ergebende Betrag werde durch das kalendertägliche Arbeitsentgelt geteilt. Hieraus ergebe sich die Zahl der Ruhenstage. Der Leistungsanspruch der Klägerin ruhe daher bis zum 28. Februar 2019. Weiterhin erhalte die Klägerin von ihrem bisherigen Arbeitgeber noch bis einschließlich 21. November 2018 eine Urlaubsabgeltung oder könne diese beanspruchen, so dass sich der Ruhenszeitraum bis zum 21. März 2019 verlängere.
MitBescheid vom 6. November 2018 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld beginnend ab 1. November 2018 mit einer Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen und einem täglichen Leistungsbetrag von 73,85 € unter Berücksichtigung des vorgenannten Ruhenszeitraums. Hiergegen ließ die Klägerin mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 26. November 2018 am selben Tag Widerspruch erheben und vortragen, dass sie durch den Aufhebungsvertrag zwar die Kündigungsfristen verkürzt habe, es ihr jedoch gesundheitsbedingt nicht möglich gewesen sei, über den angesetzten Beendigungszeitpunkt hinaus ihrer Beschäftigung nachzugehen. Die Klägerin ließ hierzu eine fachärztliche Bescheinigung ihrer behandelnden Neurologin und Psychiaterin vom 13. November 2018 vorlegen, ausweislich derer ihr bereits zu Beginn der Behandlung im April 2018 dringend geraten worden sei, den bestehenden Arbeitsplatz aus gesundheitlichen Gründen aufzugeben, da ansonsten e...