Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert. Gegenstandswert. Auffangwert. Klageziel. Vertragsarzt. Zweigpraxis. Bescheidungsurteil. Neubescheidung
Leitsatz (amtlich)
Begehrt ein Vertragsarzt mit der Klage die Genehmigung einer Zweigpraxis, so kann der dort voraussichtlich für die nächsten drei bis fünf Jahre zu erzielende Umsatz nur dann Ausgangspunkt der Berechnung des Gegenstandswertes sein, wenn es sich um zusätzliche Einnahmen handelt, die in der Hauptpraxis bei gleichem Zeiteinsatz nicht zu erzielen wären.
Die Genehmigung einer Zweigpraxis ist nicht vergleichbar mit der Zulassung als Vertragsarzt bzw. der Approbation (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren), da bereits ein Praxissitz besteht bzw. ein Beruf ausgeübt wird.
Ohne nähere Anhaltspunkte kann im vorliegenden Fall nur der Auffangwert von DM 8.000.– zugrunde gelegt werden. Auch im Falle einer begehrten Neubescheidung (unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts) ist der Auffangwert dann jedenfalls nicht herabzusetzen (Abgrenzung zum Beschluss HLSG vom 10.8.1995 – L-7/Ka-332/91), wenn sich nicht eine besonders geringe Bedeutung für die Klägerin ergibt.
Normenkette
BRAGO § 116 Abs. 2 Nr. 1, § 8 Abs. 2; GKG § 13 Abs. 2
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Beschluss vom 27.05.1998; Aktenzeichen S-27/Ka-2910/96) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Beschwerde der Beklagten wird derBeschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. Mai 1998 geändert.
Der Wert des Streitgegenstandes wird festgesetzt auf DM 8.000.–. Im übrigen werden die Beschwerden der Beklagten und der Klägerin zurückgewiesen.
Tatbestand
I
Die Beteiligten stritten in der Hauptsache um die von der Klägerin begehrte Genehmigung einer Zweigpraxis.
Die Klägerin ist seit 1981 als Ärztin für Psychotherapeutische Medizin – Psychoanalyse zur vertragsärztlichen (früher kassenärztlichen) Versorgung zugelassen mit Praxissitz in G.. In den Quartalen IV/95 bis II/96 behandelte die Klägerin ca. 20 gesetzlich versicherte Patienten, bei denen sie ausschließlich Sonderleistungen nach den Gebührenordnungsnummern 865, 871, 877 und 878 abrechnete, und zwar in Höhe von zwischen DM 18.450.– und DM 25.190.–. In zusätzlichen Abrechnungen wurden Leistungen über Krankenschein abgerechnet, und zwar in Höhe von unter DM 3.000.– im Quartal für zwischen 9 und 15 Patienten. Nach Angaben der Klägerin machten Selbstzahler, Privatpatienten und Supervisionen etwa 2/3 des Umsatzes aus.
Im Oktober 1995 beantragte die Klägerin die Genehmigung einer Zweigpraxis in R. in Räumen der von ihr bewohnten H.. Mit Bescheid vom 8. November 1995 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 1996 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück, da die Versorgungssituation im Wohnbereich der Klägerin sichergestellt sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 19. Juli 1996 Klage erhoben und die Genehmigung der Zweigpraxis begehrt u.a. mit dem Hinweis auf die mangelhafte Versorgungssituation der ländlichen Bevölkerung im Vogelsbergkreis. Sie strebe die Einrichtung einer Psychoanalyse Gruppe von 9 Patienten an, die Schwierigkeiten hätten, mit öffentlichen Verkehrsmitteln ihre Praxis in G. zu erreichen, insbesondere am Samstag.
Mit Urteil vom 28. Januar 1998 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, den Widerspruch der Klägerin neu zu bescheiden. Der Beklagten wurde die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin auferlegt. In einem Ergänzungsurteil wurde die Klage im übrigen abgewiesen. In der Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe ihrer Entscheidung keinen richtig und vollständig ermittelten Sachverhalt zugrunde gelegt und diese auch nicht hinreichend begründet. Die Beklagte müsse die konkrete Versorgungssituation berücksichtigen, insbesondere ob die spezifischen Krankheitsbilder und die lange Dauer der Behandlungen eine wohnortnahe Behandlung bedingten.
Am 5. Februar 1998 beantragte die Klägerin die Festsetzung eines Streitwertes in Höhe von DM 120.000.–. Der Umsatz der für Samstag angestrebten Gruppentherapie betrage DM 400.– wöchentlich, die zusätzlichen Einzeltherapien DM 200.– wöchentlich. Bei 50 Wochen ergebe sich ein Jahresumsatz in Höhe von DM 30.000.– und unter Berücksichtigung von 4 Jahren ein Gegenstandswert von DM 120.000.–. Personal- und Sachkosten fielen nicht an. Die Beklagte wies darauf hin, dass die Kosten von 50% bzw. richtiger von 70% abgesetzt werden müssten und bei Vorliegen eines Bescheidungsurteils von der Hälfte des errechneten Wertes auszugehen sei.
Mit Schreiben vom 11. März 1998 hat der Vorsitzende der 27. Kammer des Sozialgerichtes Frankfurt am Main einen Gegenstandswert in Höhe von DM 20.000.– zur Diskussion gestellt unter Hinweis auf den Streitwertkatalog der Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 1991, 1156), wonach die Approbation nach dem zu erwartenden Jahresverdienst, mindestens DM 30.000.– (5-fache des Regelstreitwertes, entspreche jetzt DM...