Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindung des Rechtsanwalts an sein bei der Bestimmung der angefallenen Gebühr ausgeübtes Ermessen
Orientierungssatz
1. War der Bevollmächtigte des Klägers bereits im Widerspruchsverfahren tätig, so bestimmt sich die Verfahrensgebühr des Anwalts für das sozialgerichtliche Verfahren nach der Nr. 3103 VV RVG. Bei dem dortigen Gebührenrahmen von 20.- bis 320.- €. ist regelmäßig von der Mittelgebühr in Höhe von 170.- €. auszugehen.
2. Bei der Bemessung der angefallenen Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens ist der Rechtsanwalt an sein ausgeübtes Ermessen gebunden. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Anwalt sich eine Erhöhung vorbehalten hat, über Bemessungsfaktoren getäuscht worden ist oder einen gesetzlichen Gebührentatbestand übersehen hat.
3. Bei Anwendung der Nr. 3103 VV RVG findet eine Anrechnung der Geschäftsgebühr wegen Beratungshilfe durch die Gesetzesänderung zum 24. 5. 2011 nicht mehr statt.
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 3. August 2010 geändert.
Die Vergütung des Beschwerdeführers für seine Tätigkeit als beigeordneter Rechtsanwalt in dem Rechtsstreit S 7 AL 330/05 wird auf insgesamt 486,12 EURO festgesetzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der von der Staatskasse im Rahmen der Prozesskostenhilfe zu erstattenden Vergütung des Beschwerdeführers.
In dem Klageverfahren der B. B. gegen die Bundesagentur für Arbeit (Arbeitsagentur A-Stadt) stritten die Beteiligten vor dem Sozialgericht Kassel um eine Erstattungsforderung der Beklagten wegen anzurechnendem Nebenverdienst im Zeitraum von Juli 2004 bis Oktober 2004 zuviel gezahlter Arbeitslosenhilfe in Höhe von 785,16 EURO.
Zusammen mit der Klageerhebung war von der Klägerin am 26. September 2005 ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt worden. Durch Beschluss vom 14. November 2005 bewilligte das Sozialgericht Kassel ihr daraufhin Prozesskostenhilfe für das Verfahren S 7 AL 330/05 und ordnete den Beschwerdeführer als Rechtsanwalt ab Antragstellung bei. Nach einem Erörterungstermin am 17. Januar 2007, bei dem sowohl die Klägerin als auch der Beschwerdeführer zugegen waren, wies das Sozialgericht die Klage durch Gerichtsbescheid vom 18. Januar 2007 ab.
Mit Schreiben vom 19. Februar 2007 beantragte der Beschwerdeführer bei dem Sozialgericht Kassel die Festsetzung der Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt 581,32 EURO. Hierbei machte er eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) i.H.v. 250,00 EURO geltend, eine Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV i.H.v. 200,00 EURO, eine Pauschale von 20,00 EURO für Post und Telekommunikationsdienstleistungen, eine Dokumentenpauschale für Kopien (18,50 EURO) sowie die 19 %-ige Umsatzsteuer (92,82 EURO). Er erklärte zudem, keine Beratungshilfegebühr erhalten zu haben. Die Urkundsbeamtin setzte die Gebühren unter dem 1. März 2007 in beantragter Höhe fest.
Am 9. Oktober 2007 teilte der Beschwerdeführer dem Sozialgericht mit, dass er für die Widerspruchseinlegung gegen den Ausgangsbescheid im Rahmen der Beratungshilfe aus der Staatskasse einen Betrag von 70,00 EURO zzgl. Auslagenpauschale und Umsatzsteuer, insgesamt 99,96 EURO, erhalten habe.
Sofern sich die Prozesskostenhilfegebühren aus diesem Grunde nach Ziffer 3103 VV RVG richteten - so sein weiterer Hinweis -, beliefe sich die Mittelgebühr nur auf 170,00 EURO und wäre unter Einrechnung der Umsatzsteuer um 95,20 EURO überzahlt.
Mit Schreiben vom 25. Oktober 2007 setzte die Urkundsbeamtin des Sozialgerichts Kassel die Rückforderungssumme auf insgesamt 136,85 EURO fest. Dabei rechnete sie über die sich in Bezug auf die Verfahrensgebühr ergebende Differenz zzgl. Umsatzsteuer (95,20 EURO) noch die hälftige Beratungshilfegebühr nach der Nr. 2503 Abs. 2 VV RVG (35,00 EURO) nebst die auf diese entfallende Umsatzsteuer (6,65 EURO) an.
Unter dem 31. Oktober 2007 bat der Beschwerdeführer um Überprüfung der Rückforderungsfestsetzung und wies darauf hin, nunmehr für mehr Arbeit weniger Geld zu erhalten, was seiner Ansicht nach nicht im Sinne des Gesetzgebers sein könne. Konkret fragte er an, ob in seinem Fall daher nicht eine über der Mittelgebühr liegende Gebühr nach der Ziffer 3103 VV RVG zur Anrechnung kommen könnte und teilte mit, nach entsprechendem gerichtlichen Hinweis noch ergänzende Prozesskostenhilfegebühren geltend zu machen.
Die Urkundsbeamtin teile dem Beschwerdeführer dazu mit, dass eine Gebührenerhöhung nicht in Betracht komme (Schreiben vom 6. November 2007). Daraufhin wiederholte der Beschwerdeführer am 15. November 2007 seinen Überprüfungsantrag und beantragte - hilfsweise - ohne nähere Bezifferung nachträglich die Erhöhung der Mittelgebühr. Mit Beschluss vom 4. Dezember 2007 lehnte die Urkundsbeamtin eine Nachliquidation unter Hinweis auf den Gesetzestext und die Kommentierung zu § 14 RVG ab. Der Beschwerdeführer sei an sein ausgeübtes Ermessen gebunden. Ein Tatbestand für eine Gebührenerhöhung für den Fal...