Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Klage gegen die jährliche Übersendung eines Überprüfungsbogens durch den Sozialleistungsträger. behördliche Verfahrenshandlung. Rüge eines Verstoßes gegen Rechte aus der EUV 2016/679. Widerspruchsrecht nach Art 21 Abs 1 S 1 EUV 2016/679. Erforderlichkeit der Datenerhebung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Erhebung von Sozialdaten bei der betroffenen Person im Rahmen der Amtsermittlung im Verwaltungsverfahren zur Bewilligung von Sozialleistungen (§ 20 SGB X, § 67a Abs 2 SGB X) mittels eines Überprüfungsbogens ist keinem Widerspruch nach Art 21 Abs 1 DS-GVO (juris: EUV 2016/679) zugänglich, da diese Verarbeitung im konkreten Fall nach Art 6 Abs 1 UAbs 1 Buchst c DS-GVO zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist.
2. Zur einschränkenden Auslegung von § 56a SGG wegen Art 19 Abs 4 GG und Art 47 GrCh (juris: EUGrdRCh).
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 3. Juli 2019 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde des Klägers mit dem - sinngemäßen - Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 3. Juli 2019 aufzuheben und dem Kläger Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug ab Antragstellung ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt C., C-Stadt, zu bewilligen,
ist zulässig, aber unbegründet. Der angegriffene sozialgerichtliche Beschluss ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, denn die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht liegen nicht vor.
Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 S. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ist einem Beteiligten auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Der Maßstab für die insoweit geforderten Erfolgsaussichten ist im Licht der grundrechtlich garantierten Rechtsschutzgleichheit zu bestimmen. Sie folgt aus dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. dem Rechtsstaatsgrundsatz aus Art. 20 Abs. 3 GG. Gefordert ist hiernach eine Angleichung der Rechtsschutzmöglichkeiten eines Unbemittelten mit denen eines Bemittelten, der seine Erfolgsaussichten unter Berücksichtigung des Kostenrisikos vernünftig abwägt. Hinreichende Erfolgsaussichten in diesem Sinne liegen vor, wenn für den Antragsteller eine nicht fernliegende Möglichkeit besteht, sein Rechtsschutzziel durch die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes jedenfalls unter Zuhilfenahme aller verfahrensrechtlich vorgesehenen Rechtsbehelfe gegen instanzgerichtliche Entscheidungen durchzusetzen (BVerfGE 81, 347 ≪357≫; st. Rspr). Prozesskostenhilfe darf von Verfassungs wegen insbesondere dann nicht versagt werden, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt. Denn dadurch würde der unbemittelten Partei im Gegensatz zu der bemittelten die Möglichkeit genommen, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen und von dort aus in die höhere Instanz zu bringen (st. Rspr., aus jüngerer Zeit BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 2019 - 1 BvR 1710/18 - Rn. 9; Beschluss vom 16. April 2019 - 1 BvR 2111/17 -, Rn. 22 m.w.N.).
Gemessen an diesem Maßstab fehlt es an der hinreichenden Erfolgsaussicht der sozialgerichtlichen Klage, gerichtet auf die strafbewehrte Unterlassung, vom Kläger einmal jährlich mittels eines „sogenannten Überprüfungsbogens einen verkappten Weiterbewilligungsantrag zu fordern“.
Soweit der Kläger unmittelbar einen Verstoß gegen Verwaltungsverfahrensrecht nach dem Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) durch die Übersendung des Fragebogens mit Anschreiben vom 24. April 2019 rügen will, ist die Klage bereits unzulässig. Ihr steht § 56a Satz 1 SGG entgegen. Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen können hiernach nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Soweit es um die Reichweite zulässiger Amtsermittlung geht, ist es dem Kläger zuzumuten, gegebenenfalls gegen eine ablehnende Sachentscheidung zu klagen und inzident - ggf. im Eilrechtsschutz - klären zu lassen, ob zur weiteren Leistungsgewährung die entsprechenden Angaben erforderlich sind.
Dies gilt allerdings nicht hinsichtlich des gerügten Verstoßes gegen Rechte aus der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (DS-GVO).
Wegen des Gebots der Gewährung effektiven...