Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherung bei freiwilliger Grippeschutzimpfung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Betriebsangehöriger, der sich freiwillig an einer vom Unternehmer kostenlos eingerichteten und vom Betriebsamt durchgeführten Grippeschutzimpfung beteiligt, ist in Bezug auf Impfschäden nicht gegen Unfall versichert.

 

Normenkette

RVO § 548

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 17.11.1972)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt a.M. vom 17. November 1972 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Anschlußberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung einer Gesundheitsschädigung nach einer Grippeschutzimpfung als Arbeitsunfall.

Die … 1929 geborene Klägerin ist bei dem Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) in der Fernschreibzentrale in W. als Fernschreiberin tätig. Am 30. Oktober 1968 ließ sie sich von Dr. G. (B.-Werke) in Gegenwart des Betriebsarztes des ZDF gegen Grippe impfen. Die Kosten der Impfung trug das ZDF. Auf diese Impfung war vom Betriebsarzt des ZDF durch zwei Aushänge aufmerksam gemacht worden. Der erste Aushang vom 18. Oktober 1968 hatte u.a. folgenden Wortlaut:

„Kommt die asiatische Grippe?

Niemand weiß das. Es kann aber durchaus sein, daß von Ostasien aus, von wo zur Zeit Erkrankungen gemeldet werden, eine Grippewelle nach Europa laufen wird. Sie müßte uns dann bis spätestens Januar 1969 erreicht haben.

Der Betriebsarzt führt daher wieder eine

Grippe-Schutzimpfung

durch.

Eine einzige schmerzlose Injektion des bewährten Impfstoffes der Behringwerke mit der Impfpistole reicht aus, um einjährigen Schutz vor der echten Influenza zu geben. Sie hilft, auch andere Erkältungskrankheiten leichter zu überwinden.

Wer interessiert ist, möge sich schon jetzt den

Mittwoch, den 30. Oktober 1968

vormerken.

gez. Dr. Dr. S.

(Betriebsarzt)”

Der zweite Aushang vom 25. Oktober 1968 wies auf die angekündigte kostenlose Grippeschutzimpfung am Mittwoch, dem 30. Oktober 1968, hin und lautete unter anderen wie folgt:

„Jeder kann geimpft werden. Ausgenommen sind Fieberkranke und wer kein Eiereiweiß verträgt. Verwendet wird Impfstoff und Impfpistole der Firma B.werke F.. Gespritzt wird in den linken Oberarm.

Die Zeiten müssen genau eingehalten werden.

Andere als die vorgenannten Dienststellen können nicht angefahren werden. Wer von anderen Dienststellen teilnehmen will, möge sich bitte an den nächstgelegenen Impfort begeben.

Nach vielen früher gemachten guten Erfahrungen rechne ich mit reger Teilnahme.

gez. Dr. Dr. S.

(Betriebsarzt)”

Die Klägerin litt zu diesem Zeitpunkt an einer Thrombophlebitis und nahm das Medikament Sintrom ein. Sie will dies den genannten Ärzten vor der Impfung mitgeteilt haben. Nach ihren weiteren Angaben kam es eine Woche nach der Schutzimpfung zu Kreislaufstörungen mit Herzbeschwerden, so daß eine ambulante Behandlung bei ihrer Hausärztin erforderlich wurde. Vom 4. Januar bis zum 3. März 1969 erkrankte sie arbeitsunfähig, wobei sie in der Zeit vom 15. bis zum 31. Januar 1969 wegen einer zusätzlichen Thrombose am rechten Arm stationär im Stadtkrankenhaus F.-H. behandelt werden mußte. Vom 4. bis 17. März 1969 arbeitete sie wieder. Anschließend war sie mehrfach, unterbrochen von arbeitsfähigen Zeiten, erkrankt.

Am 9. März 1970 teilte das ZDF der Beklagten mit, daß die Grippeschutzimpfung nicht angeordnet und auch nicht empfohlen worden sei; es habe lediglich die Möglichkeit, sich freiwillig impfen zu lassen, bestanden. Die Klägerin sei im übrigen am Arbeitsplatz keiner besonderen Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesen.

Mit Bescheid vom 6. April 1970 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung mit der Begründung ab, die Schutzimpfung sei nicht vom Arbeitgeber veranlaßt bzw. angeordnet worden und keine wesentliche Vorbedingung für die Arbeitsaufnahme oder die Fortführung der Arbeit gewesen. Es habe außerdem keine betriebsbedingte erhöhte Krankheitsgefahr am Arbeitsplatz bestanden. Es könne daher offenbleiben, ob zwischen der Impfung und den geklagten Beschwerden ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang bestehe.

Gegen diesen Bescheid, dessen Zustellung aus den Unfallakten nicht ersichtlich ist, hat die Klägerin am 30. April 1970 bei dem Sozialgericht Frankfurt a.M. Klage erhoben und behauptet, daß die bei ihr aufgetretenen Herzstörungen auf die bei dem ZDF vorgenommene Betriebsimpfung gegen die Asiatische Grippe zurückzuführen seien.

Das Sozialgericht hat verschiedene Auskünfte über die Erkrankungen der Klägerin vor und nach der Schutzimpfung, die Aushänge des Betriebsarztes des ZDF vom 18. und 25. Oktober 1968, die Schutzimpfung selbst und schließlich das internistische Gutachten des Dr. C. vom 25. Mai 1972 eingeholt. Dieser Sachverständige hat ausgeführt, daß die Schutzimpfung eine Verschlimmerung einer bereits bestehenden Myocardschädigung und die Entstehung einer Fettstoffwechselstörung hervorgeru...

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