Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Mietkautionsdarlehen. Tilgung durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 % des Regelbedarfs. Verfassungsmäßigkeit. Vermeidung der Bedarfsunterdeckung
Orientierungssatz
Der gesetzlich geregelten Aufrechnung zur Tilgung von Mietkautionsdarlehen gemäß § 42a SGB 2 stehen durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken wegen des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht entgegen (Anschluss an BSG vom 28.11.2018 - B 14 AS 31/17 R = BSGE 127, 63 = SozR 4-4200 § 42a Nr 2).
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid
des Sozialgerichts Darmstadt vom 7. Mai 2020 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben Kosten auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich im Wege des Überprüfungsverfahrens gegen eine monatliche Aufrechnung in Höhe von 38,20 Euro gegen seinen Leistungsanspruch nach dem SGB II zur Rückführung des ihm gewährten Mietkautionsdarlehens.
Der Kläger steht im Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) bei dem Beklagten. Der Beklagte bewilligte ihm mit Bescheid vom 22. April 2013 darlehensweise eine Mietkaution i.H.v. 900 Euro für seine ab 15. April 2013 mit Zustimmung des Beklagten angemietete Wohnung, in der er auch aktuell noch wohnt. Der Bescheid sieht vor, dass das Darlehen zinslos gewährt wird und ab dem Folgemonat der Auszahlung, also ab dem 1. Mai 2013, in monatlichen Raten i.H.v. 38,20 Euro zurückzuzahlen ist. Der Darlehensbetrag in Höhe von 900,00 Euro werde gemäß § 42a Abs. 2 SGB II ab 1, Mai 2013 in monatlichen Raten mit dem Anspruch des Klägers auf Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) aufgerechnet (Verfügungssätze 1 bis 3 des Bescheides). Gegen diesen Bescheid wurde kein Widerspruch eingelegt. Entsprechend erfolgte die Aufrechnung des bewilligten Mietkautionsdarlehens sodann in der Zeit vom 1. Mai 2013 bis 28. Februar 2015, Ein Restbetrag von 59,60 Euro wurde von dem Beklagten am 15, März 2015 vollstreckungsrechtlich niedergeschlagen.
Eine zeitweise, ab Mai 2013 für 16 Monate zeitlich gleichlaufend erfolgte zweite Aufrechnung in Höhe von 20,- Euro wurde von dem Beklagten rückgängig gemacht und die Differenz zwischen der Summe der zeitweise parallel laufenden Aufrechnungen und der Summe der laufenden Aufrechnung aus dem Mietkautionsdarlehen in Höhe 10 Prozent des jeweils geltenden Regelsatzes Regelbedarfsstufe 1 in den Jahren 2013 und 2014 in Höhe eines Gesamtbetrages von 312,80 Euro an den Kläger am 19. Dezember 2016 zur Auszahlung gebracht. Die vom Beklagten an den Kläger zurückbezahlten 312,80 Euro wurden sodann im Zeitraum 28. März 2018 bis 27. Juni 2019 zur Aufrechnung gebracht, womit auch diese weitere Schuld des Klägers beglichen ist.
In einem vorangegangenen Verfahren vor dem Sozialgericht Darmstadt mit dem Aktenzeichen S 24 AS 1150/13 stritten die Beteiligten um die SGB II-Leistungshöhe im Bewilligungszeitraum September 2013 bis Februar 2014. U.a. wandte sich der Kläger gegen den auch in diesem Zeitraum enthaltenen Einbehalt in Höhe von 38,20 Euro aus der hier streitgegenständlichen Aufrechnung. Das Verfahren S 24 AS 1150/13 wurde durch gerichtlichen Vergleich vom 20. Januar 2016 beendet. Darin verpflichtete sich der Beklagte unter Ziffer 10, hinsichtlich der Aufrechnung des Mietkautionsdarlehens einen neuen rechtsmittelfähigen Bescheid zu erlassen, nachdem das Verfahren vor dem Bundessozialgericht mit dem Aktenzeichen B 4 AS 24/15 R abgeschlossen ist. Das Verfahren vor dem Bundessozialgericht wurde jedoch nach einem gerichtlichen Hinweis durch Rücknahme und somit ohne Urteil am 8. Dezember 2016 beendet.
Der Beklagte wies die Prozessbevollmächtigte des Klägers auf ein weiteres beim Bundessozialgericht bezüglich derselben Fragestellung anhängiges Klageverfahren hin. Die Prozessbevollmächtigte begehrte den Erlass eines Bescheides ohne weiteres Zuwarten. Der Beklagte erließ daraufhin unter dem 10. April 2018 einen Bescheid mit dem Tenor:
„Die Aufrechnung der mit Bescheid vom 22. April 2013 bewilligten Mietkaution in monatlichen Raten von 38,20 Euro erfolgte rechtmäßig."
Dagegen legte der Kläger am 17. April 2018 Widerspruch ein. Die Aufrechnung sei rechtswidrig, verfassungswidrig und nichtig. Die Mietkaution sei nicht aus der Regelleistung zu bestreiten und die Aufrechnung nicht unbegrenzt zulässig.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2018 zurück. Die Aufrechnung des bewilligten Mietkaution-Darlehens sei in der Zeit vom 1. Mai 2013 bis 28. Februar 2015 erfolgt. Soweit in dieser Zeit aufgrund eines weiteren Darlehens eine Aufrechnung erfolgt sei, die 10 % des Regelbedarfes überstiegen habe, sei dies bereits berichtigt worden und dem Kläger am 19. Dezember 2016 ein Betrag von 312,80 Euro ausgezahlt worden. Es liege insoweit ...