Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsausbildungsbeihilfe. betriebliche Ausbildung. überbetriebliche Ausbildung. Sonderprogramm zur vollschulischen Berufsausbildung an öffentlichen Berufsschulen

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe besteht nicht, wenn im Rahmen eines Sonderprogrammes zur vollschulischen Berufsausbildung an öffentlichen Berufsschulen die Maßnahmeteilnehmerin den Status einer Schülerin erhält, Schülergeld bekommt, kein Ausbildungsvertrag abgeschlossen wird, das begleitende Praktikum im Verantwortungsbereich der Schule liegt und zeitliches Gleichgewicht zwischen Schulausbildung und Praktikum besteht.

 

Normenkette

AFG § 40 Abs. 1 S. 1; AO-Ausbildung § 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

SG Gießen (Urteil vom 16.09.1986; Aktenzeichen S-12/Ar-312/84)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 16. September 1986 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Es geht in dem Rechtsstreit um Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) für die Zeit vom 1. November 1984 bis 31. Juli 1985.

Die am … 1962 geborene Klägerin absolvierte vom 26. August 1983 bis 1. Juli 1985 erfolgreich eine Ausbildung als Bürokauffrau. Es handelte sich um eine Ausbildung im Rahmen eines Sonderprogrammes zur vollschulischen Berufsausbildung an öffentlichen Berufsschulen im Verbund Schule/Betrieb. Nach ihren Angaben erhielt die Klägerin monatlich DM 100,– Schulgeld vom Land Hessen und DM 50,– von ihrem Betrieb, wobei letzterer Betrag vom Land Hessen an den Betrieb für die Aufnahme eines Praktikanten gezahlt und von diesem an die Klägerin weitergegeben wurde.

Am 10. Februar 1984 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Bewilligung von BAB. Mit Bescheid vom 6. Juni 1984 wies die Beklagte den Antrag ab und begründete dies u.a. damit, daß es sich nicht um eine Ausbildung nach § 2 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung handele.

Hiergegen hat die Klägerin am 28. Juni 1984 Widerspruch eingelegt und vorgetragen, es handele sich um eine überbetriebliche Ausbildung, und zwar mit 20 Stunden theoretischer Ausbildung in der Berufsschule und 20 Stunden praktischer Ausbildung im Autohaus M. in H.. Das am Ende der Ausbildung zu erreichende Ziel entspreche dem eines Auszubildenden in einem Ausbildungsbetrieb. Im Unterschied zu diesem erhalte sie jedoch keinerlei Vergütung. Ein weiterer Unterschied bestehe darin, daß die Berufschule anstatt 12 Stunden hier 20 Stunden Unterricht übernehme und auf die praktische Ausbildung im Betrieb ebenfalls 20 Stunden pro Woche entfielen gegenüber normalerweise 28 Stunden. Die Maßnahme sei von ihr unter dem Gesichtspunkt des Lehrstellenmangels angenommen worden, um überhaupt eine Ausbildung zu erhalten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 1984 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und begründete dies im wesentlichen damit, es handele sich bei der von der Klägerin besuchten Ausbildung um eine schulische und nicht eine betriebliche, auch nicht um eine überbetriebliche. Ein Berufsausbildungsvertrag sei von der Klägerin nicht geschlossen worden. Der Verlauf der Ausbildung liege auch in der Kompetenz der Schule und nicht des Betriebes. Es handele sich um eine Vollausbildung an beruflichen Schulen, die aufgrund eines Kabinettsbeschlusses der Hessischen Landesregierung vom 7. Juni 1982 als Maßnahme zur Beseitigung der Jugendarbeitslosigkeit eingerichtet worden sei. Bei Schaffung dieser Maßnahme sei die Gewährung von BAB nicht vorgesehen gewesen, deshalb werde aus Landesmitteln demnächst auch eine Förderung erfolgen.

Hiergegen hat die Klägerin am 9. November 1984 Klage erhoben. Die Klägerin hat vorgetragen, durch die zuständige Industrie- und Handelskammer (IHK) Wetzlar sei ihre Ausbildung so organisiert, daß sie einer Ausbildung im sogenannten dualen System gleichzusetzen sei. Gegenüber der sogenannten traditionellen Ausbildung bestehe lediglich eine Schwerpunktverlagerung zwischen den Ausbildungsorten. Die Stellungnahme der IHK sei falsch. Im herkömmlichen System der dualen Ausbildung verblieben 28 Zeitstunden bei entsprechender Berücksichtigung der Schulstunden mit 12 Zeitstunden; häusliches Nacharbeiten und Vorbereitung blieben unberücksichtigt.

Die Klägerin hat einen Erlaß des Hessischen Kultusministers vom 28. September 1984 über die Gewährung von DM 100,– Schülergeld monatlich für Teilnehmer am Sonderprogramm zur vollschulischen Berufsausbildung an öffentlichen Berufsschulen für die Ausbildungsjahrgänge 1984, 1985 (III B 1.1 – 200/07 – 45) vorgelegt.

Das Sozialgericht hat von der IHK Wetzlar Stellungnahmen vom 11. Juli 1985 und vom 1. Oktober 1985 eingeholt. Danach stünden im dualen System 31 Stunden Ausbildung im Betrieb 9 Zeitstunden in der Berufsschule gegenüber. Bei der von der Klägerin besuchten Maßnahme liege das Verhältnis bei 20 zu 16. Die fehlenden vier Stunden sollten für Hausaufgaben genut...

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