Entscheidungsstichwort (Thema)
isolierte Anfechtungsklage. Zulässigkeit. Rechtsschutzbedürfnis. Kurzarbeitergeld. Grund-Bescheid. Leistungsbescheid. Zusatz bzw. Einschränkung im Grund-Bescheid. Ausschlußfrist
Leitsatz (amtlich)
1. Die isolierte Anfechtungsklage bezüglich eines negativen Zusatzes im positiven Grund-Bescheid nach § 72 Abs. 1 Satz 4 AFG ist dann zulässig, wenn der nachfolgende Leistungsantrag nach § 72 Abs. 2 AFG noch nicht gestellt ist (vgl. Urteil des BSG vom 28. Juli 1987 – 7 RAr 92/85); Rechtsschutzinteresse besteht, wenn ein solcher Antrag noch gestellt werden kann.
2. Die drei-monatige Ausschlußfrist nach § 72 Abs. 2 AFG zur Beantragung von Kurzarbeitergeld wird durch das anhängige Verfahren bezüglich der Grundentscheidung nach § 72 Abs. 1 Satz 4 AFG gehemmt (vgl. Urteil des BSG vom 30. Mai 1978 – 7/12 RAr 100/76 –, bei dem diese Frage offengelassen wurde).
3. In dem positiven Grundbescheid nach § 72 Abs. 1 Satz 4 AFG ist kein Raum für einen Zusatz, wonach eine bestimmte Zahl von Arbeitnehmern auf einer bestimmten Baustelle von der Bewilligung des Kurzarbeitergeldes ausgeschlossen ist. Feststellungen dieser Art stellen einen Vorgriff auf eine Entscheidung im Rahmen des nachfolgenden Leistungsbescheides nach § 72 Abs. 2 AFG dar.
Normenkette
AFG § 72 Abs. 1-2, §§ 63-64; SGG § 54
Verfahrensgang
SG Marburg (Urteil vom 12.06.1986; Aktenzeichen S-5/Ar - 31/85) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 12. Juni 1986 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren und des Beigeladenen für beide Instanzen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
In dem Rechtsstreit geht es um das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld (Kug).
Die Klägerin ist ein Bauunternehmen, das Hochbau, Tief- und Straßenbau betreibt und im streitigen Zeitraum ca. 130 bis 140 Arbeitnehmer beschäftigte.
Am 7. Dezember 1984 zeigte die Klägerin bei der Beklagten an, daß ihre Betriebsabteilung Hochbau mit insgesamt 48 Beschäftigten für die Zeit vom 10. Dezember 1984 bis voraussichtlich 30. Mai 1985 wegen Auftragsmangels kurzarbeiten werde.
Mit Bescheid vom 29. Januar 1985 gewährte die Beklagte (dem Grunde nach) für die Betriebsabteilung Hochbau der Klägerin Kug für die Zeit vom 10. Dezember 1984 bis längstens 30. Mai 1985 und wies formularmäßig darauf hin, daß Kug jeweils für einen Zeitraum von mindestens vier Wochen zu beantragen sei und der Antrag innerhalb einer Ausschlußfrist von drei Monaten beim Arbeitsamt einzureichen sei. Der Bescheid enthielt folgenden Zusatz:
„Bis zur Fertigstellung der nachstehenden Bauobjekte sind die acht Beschäftigten auf der Baustelle Amtsgericht W. und die neun Arbeitnehmer auf der Baustelle Spilburg Kaserne in W. von der Bewilligung des Kurzarbeitergeldes ausgeschlossen, da durch das vorhandene Gesamtbauvolumen die Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls nicht gegeben ist.”
Am 1. Februar 1985 hat die Klägerin hiergegen Widerspruch erhoben und unter anderem vorgetragen, daß für die Baustelle Amtsgericht W. zur Zeit vom Staatsbauamt Umplanungen vorgenommen würden, so daß dort nicht voll durchgearbeitet werden könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 1985 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, es habe sich herausgestellt, daß entgegen den Angaben der Klägerin bei der Baustelle Amtsgericht W. kein unvermeidbarer Arbeitsausfall entstehe. Vom Staatsbauamt würden Nachtragsaufträge erteilt, durch die der Arbeitsablauf in keiner Weise unterbrochen werde. Es müsse davon ausgegangen werden, daß witterungsbedingter Arbeitsausfall durch die Schlechtwettergeldregelung abgedeckt werden könne.
Am 18. März 1985 hat die Klägerin Klage erhoben zunächst mit dem Ziel der Verurteilung der Beklagten, die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld bezüglich des Arbeitsausfalles auf der Baustelle Amtsgericht W. anzuerkennen. Der Antrag wurde später dahin umgestellt, die angefochtenen Bescheide aufzuheben, soweit darin die auf der Baustelle „Amtsgericht W.” beschäftigten Arbeitnehmer von der Bewilligung des Kurzarbeitergeldes ausgeschlossen worden seien.
Die Klägerin hat unter anderem vorgetragen, daß ein Arbeitsausfall an der Baustelle Amtsgericht W. dadurch eingetreten sei, daß ein Anschlußauftrag erst am 8. Februar 1985 erteilt worden sei.
Mit Urteil vom 12. Juni 1986 (S-5/Ar-31/85) hat das Sozialgericht Marburg entsprechend dem Antrag der Klägerin entschieden und dies im wesentlichen damit begründet, die Klage gegen den Zusatz im Bescheid vom 29. Januar 1985 sei zulässig, da es sich insoweit um eine eigenständige Regelung handele. Die auf die Anzeige über Arbeitsausfall gemäß § 64 Abs. 1 Nr. 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nach Maßgabe des § 72 Abs. 1 AFG zu treffende Entscheidung, ob für einen Betrieb oder eine Betriebsabteilung die Voraussetzungen für die Gewährung von Kug anerkannt würden ...