Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. seelische Gesundheitsstörung. Vollbeweis. posttraumatische Gesundheitsstörung. PTBS. unterschiedliche Diagnosesysteme: ICD-10 und DSM-IV. Verkehrsunfall
Leitsatz (amtlich)
1. Die Diagnosekonzepte für eine PTBS nach den Diagnosesystemen ICD-10 und DSM-IV sind unterschiedlich konzipiert und unterscheiden sich insbesondere hinsichtlich des Traumakriteriums, des sog. A-Kriteriums.
2. Die Diagnose PTBS setzt nach DSM-IV eine zeitnahe psychische Reaktion als seelischen Gesundheitserstschaden voraus, und zwar von der Qualität, wie es das A2-Kriterium beschreibt.
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 25. August 2010 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten Anerkennung von Unfallfolgen und die Gewährung einer Rente.
Der 1953 geborene Kläger, von Beruf Laborant und inzwischen Bezieher einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, erlitt am 21. März 2000 einen Verkehrsunfall mit Seitenaufprall als Wegeunfall. Der Kläger erlebte dabei das Unfallereignis nicht bewusst. Er hörte nur den Knall, bekam aber die Situation selbst, nämlich das Anfahren durch den anderen Pkw nicht mit. Am Unfallort verhielt sich der Kläger unauffällig, er wickelte die Unfallformalitäten ab, ging zweimal eine längere Strecke zu einer Imbissstube, um zu telefonieren und sorgte dafür, dass sein Fahrzeug abgeschleppt wurde. Dr. D., der den Kläger am 22. März 2000 behandelte, stellte eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule sowie Kopfschmerzen fest.
Mit Bescheid vom 7. September 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Dezember 2002 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rentenleistungen und die Anerkennung der Beschwerden im Lendenwirbelsäulenbereich als Unfallfolgen ab. Im anschließenden Klageverfahren holte das Gericht ein chirurgisch-sozialmedizinisches Gutachten bei dem Arzt für Chirurgie Dr. E. ein. Der Kläger nahm auf Grund dieses Gutachtens die Klage zurück.
Am 4. Januar 2005 beantragte der Kläger erneut bei der Beklagten die Gewährung einer Rente und machte geltend, er leide infolge des Unfalls vom 21. März 2000 unter nervlicher Belastung und traumatischen Erscheinungsbildern.
Mit Bescheid vom 2. Februar 2005lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen aufgrund des Arbeitsunfalles vom 21. März 2000 mit der Begründung ab, dass kein Zusammenhang zwischen den Beschwerden auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet und dem Arbeitsunfall bestehe. Die Unfallfolgen auf chirurgischem Gebiet seien nach dem Gutachten von Dr. E. folgenlos abgeklungen und würden keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bedingen.
Auf Grund des gegen den Bescheid erhobenen Widerspruchs holte die Beklagte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. ein. Dieser kam in seinem Gutachten vom 26. April 2005 zu dem Ergebnis, dass auf neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet keine Unfallfolgen vorliegen würden.
Das Unfallereignis sei nach der Dramatik und den Auswirkungen nicht geeignet gewesen, eine wesentliche psychische Traumatisierung zu bewirken. Eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) sei daher schon als Diagnose nicht nachgewiesen. Der bei dem Kläger festzustellende chronische halbseitige Kopfschmerz vom Spannungstyp und der schmerzmittelinduzierte Kopfschmerz sowie eine “möglicherweise„ vorliegende paranoid halluzinatorische Psychose seien nicht unfallbedingt. Gegen einen Zusammenhang psychischer Erkrankungen des Klägers mit dem Unfallereignis spreche schon das unauffällige Verhalten des Klägers am Unfallort, die lange Latenz zwischen dem Unfallereignis und dem Erstauftreten der psychischen Symptome, die fehlende Brückensymptomatik und der normale psychiatrische Querschnittsbefund.
Die Beklagte zog sodann Entlassungsberichte über stationäre Heilverfahren des Klägers in der Seepark Klinik, Bodenteich, vom 26. August 1996 und der Hardtwaldklinik I, Bad Zwesten, vom 16. Mai 2005 bei und ließ diese sowie von dem Kläger vorgelegte Befundberichte seines behandelnden Psychiaters G. durch Dr. F. auswerten, der an seiner gutachterlichen Einschätzung festhielt (ergänzende Stellungnahme vom 9. Mai 2006).
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Mit seiner am 19. Oktober 2006 bei dem Sozialgericht Kassel (Sozialgericht) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und ein Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. vom 22. Februar 2005 vorgelegt, welches dieser Arzt im Rentenverfahren des Klägers im Auftrag der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) erstellt hatte.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin Dr. J. vom 7. Februar 2008 eingeholt und Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von d...