Entscheidungsstichwort (Thema)
Die Regelung in § 130 SGB 3 in der seit 01.01.2005 geltenden Fassung, dass der Bemessung des Arbeitslosengeldes keine Zeiten mit Anspruch auf Arbeitsentgelt zu Grunde gelegt werden können, die nicht wenigstens in dem auf zwei Jahren erweiterten Bemessungsrahmen liegen, ist verfassungsmäßig und verstößt auch nicht gegen europäisches Gemeinschaftsrecht. Bemessungsentgelt. Elternzeit. Kindererziehung. Fiktives Arbeitsentgelt. Versicherungspflichtige Beschäftigung. Mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts
Orientierungssatz
1. Bei einer Versicherten, die zuletzt im Mai 2004 versicherungspflichtiges Arbeitsentgelt bezogen hat und danach bis Ende Juni 2007 in Elternzeit war, darf bei der Berechnung der Höhe ihres ab 01.07.2007 bezogenen Arbeitslosengeldes das zuletzt erzielte Arbeitsentgelt nicht berücksichtigt werden, das Arbeitslosengeld ist vielmehr gemäß § 132 SGB 2 nach einem fiktiven Arbeitsentgelt unter Einstufung in eine Qualifikationsgruppe zu berechnen.
2. Nach § 130 SGB 3 in der seit dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung dürfen nämlich nur Zeiten mit Anspruch auf Arbeitsentgelt zu Grunde gelegt werden, die in dem einjährigen Bemessungsrahmen liegen, der bei weniger als 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt im Bemessungszeitraum auf zwei Jahre erweitert wird. Da der Bemessungsrahmen mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs endet, reicht auch ein Bemessungsrahmen von 2 Jahren nicht in die Zeit der letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung hinein, die vor der hier 3-jährigen Elternzeit liegt (Anschluss an BSG, Urteil vom 29. Mai 2008, B 11a AL 23/07 R).
3. Diese gesetzliche Regelung verstößt nicht gegen das Grundgesetz oder europäisches Gemeinschaftsrecht.
Normenkette
SGB III a.F. § 129 Nr. 1, § 130 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 3, § 132 Abs. 1
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 30. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben auch im Berufungsverfahren einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig die Höhe des Arbeitslosengeldes.
Die 1968 geborene Klägerin war vom 18. Februar 2002 bis 30. Juni 2007 als Sachbearbeiterin im Einkauf beschäftigt; vom 13. Mai 2004 bis 30. Juni 2007 war sie in Elternzeit. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund der Kündigung der Klägerin.
Am 8. Mai 2007 meldete sich die Klägerin zum 1. Juli 2007 arbeitslos.
Mit Bescheid vom 4. Juni 2007 bewilligte die Beklagte ihr Arbeitslosengeld ab 1. Juli 2007 in Höhe von täglich 21,93 € nach einem Bemessungsentgelt von täglich 65,33 €, Lohnsteuerklasse V und einem erhöhten Leistungssatz von 67 % für die Dauer von 360 Kalendertagen. Mit ihrem Widerspruch vom 3. Juli 2007 begehrte die Klägerin die Berücksichtigung der Zeiten und des Verdienstes vor dem Erziehungsurlaub. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. In den Gründen führte sie aus, dass die Klägerin in dem zu berücksichtigenden Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis 30. Juni 2007 kein versicherungspflichtiges Entgelt erzielt habe und daher nach der gesetzlichen Regelung ein fiktives Arbeitsentgelt zu Grunde zu legen sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 2. August 2007 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben und vorgetragen, dass Art. 6 Abs. 4 Grundgesetz (GG) gegenüber der Beklagten bei der Auslegung der §§ 129 ff. Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - SGB III Bindungswirkung entfalte.
Mit Urteil vom 30. Oktober 2007 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Bei der Klägerin könne innerhalb des Bemessungsrahmens von 2 Jahren kein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt festgestellt werden. In dem zugrunde zu legenden Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis 30. Juni 2007 habe die Klägerin kein versicherungspflichtiges Arbeitsentgelt erzielt. Die Beklagte habe daher zu Recht der Berechnung des Arbeitslosengeldes ein fiktives Arbeitsentgelt zu Grunde gelegt, das nicht zu beanstanden sei. Von einer Verfassungswidrigkeit der anzuwendenden Normen habe sich das Gericht nicht überzeugen können.
Gegen dieses der Klägerin am 15. November 2007 zugestellte Urteil hat sie am 5. Dezember 2007 bei dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und verfolgt ihr Begehren weiter.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 30. Oktober 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2007 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld nach einem höheren Bemessungsentgelt unter Berücksichtigung eines Bemessungszeitraumes vor Eintritt der Elternzeit neu zu berechnen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen anhängiger Revisionen vor dem Bund...