Entscheidungsstichwort (Thema)

selbständige Erwerbstätigkeit Kommanditist. Geschäftsführung durch einen Nichtgesellschafter

 

Leitsatz (amtlich)

Einem Kommanditisten ist bei unveränderter Firma und vertraglich über § 166 HGB hinausgehendem Überwachungs- und Informationsrecht der Geschäftsbetrieb eine aus einem Komplementär und einem Kommanditisten bestehenden Personenhandelsgesellschaft dann als selbständige Erwerbstätigkeit im Sinne des § 1248 Abs. 4 Satz 1 RVO zuzurechnen, wenn die Geschäftsführung und Betriebsleitung einem Dritten oblag und dieser statt der Gesellschafter die auf den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gerichteten Handlungen tatsächlich vorgenommen hat. Insoweit kommt es nicht darauf an, in welcher Rechtsform das Unternehmen betrieben worden ist (Anschluß an und Fortführung von BSG, Urteil vom 15. Dezember 1977 – 11 RA 6/77; Abgrenzung zu BSG Urteil vom 5. November 1980 – 11 RA 80/79).

 

Normenkette

RVO i.d.F. des 4. RVÄndG § 1248 Abs. 4 S. 1

 

Verfahrensgang

SG Wiesbaden (Urteil vom 20.03.1978)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 20. März 1978 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von flexiblem Altersruhegeld gemäß § 1248 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) für die Zeit vom 1. April 1973 bis zum 31. Mai 1974 streitig.

Der am … 1909 geborene Kläger ist von Beruf Werkzeugmachermeister. Er betrieb seit 1949 mit dem Werkmeister F. R. in Form einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts einen Gewerbebetrieb, der sich mit der Herstellung von Metallmodellen und Aluminium-Formguß befaßte. Auf Grund eines Gesellschaftsvertrages vom 15. Oktober 1961 wurde eine offene Handelsgesellschaft unter der Firma „T. T. & R.” errichtet. Zweck und Gegenstand der Gesellschaft sollte die Fortführung des bisherigen Gewerbebetriebes mit der Herstellung und dem Vertrieb von Metallmodellen, Metallgußwaren und Gießerei-Hilfsstoffen sein. Der Kläger und F. R. waren bei einem Kapitalanteil von jeweils 50.000,– DM gemäß § 6 des Gesellschaftsvertrages gemeinschaftlich zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft berechtigt und verpflichtet. Nach § 9 des Gesellschaftsvertrages erhielt jeder Gesellschafter eine Vorabverzinsung seines Kapitalkontos nach dem Stand der Bilanz des vorhergehenden Jahres in Höhe von 5 % Von dem verbleibenden Gewinn erhielten der Gesellschafter T. 55 % und der Gesellschafter R. 45 %. § 15 des Gesellschaftsvertrages bestimmt, daß an die Stelle der Gewinnbeteiligung gemäß § 9 eine Beteiligung in Höhe von 6 % des Umsatzes treten sollte, falls ein Gesellschafter nicht mehr tätig mitarbeitet.

In einem Änderungsvertrag vom 15. Februar 1973 zu § 9 des Gesellschaftsvertrages wurde zwischen den Gesellschaftern vereinbart, daß ihr Darlehenskonto nach der in der vorjährigen Jahresbilanz festgestellten Höhe mit 10 % verzinst werden sollte. Entsprechend dem Gewinn-Teilungsplan in der geänderten Fassung des § 9 sollte jeder Gesellschafter oder dessen Erben im Geschäftsjahr 240 Vorab-Gewinnanteile gutgeschrieben erhalten. Als Vergütung für die persönliche Tätigkeit der Gesellschafter für das Unternehmen wurde vereinbart, daß für jeden Tag, an dem ein Gesellschafter im Geschäftsjahr im Unternehmen ganztägig tätig sei, von diesem zusätzlich 2 Gewinnanteile zur Anrechnung erworben würden. Für eine Tätigkeit von einem halben Tag sollte zusätzlich ein Gewinnanteil erworben werden.

Am 4. Dezember 1972 hatte der Kläger die Gewährung von flexiblem Altersruhegeld beantragt. Durch Bescheid vom 27. Juni 1973 gewährte die Beklagte flexibles Altersruhegeld nach § 1248 Abs.1 RVO für die Zeit vom 1. Januar 1973 bis zum 31. März 1973.

Auf Grund eines Änderungsvertrages zwischen den Gesellschaftern vom 10. April 1973 erhielt § 15 des Gesellschaftsvertrages vom 15. Oktober 1961 folgende Fassung:

„Der Gesellschafter E. T. hat nach Rentenantrag auf Bezug des flexiblen Altersruhegeldes seine persönliche Tätigkeit im Unternehmen ab 1. Januar 1973 aufgegeben und ist nicht mehr Geschäftsführer. Der Gesellschafter F. R. ist zur Geschäftsführung des Unternehmens unter unveränderter Beibehaltung der Firma als persönlich haftender Gesellschafter berechtigt und verpflichtet. Herr T. erhält in der Gesellschaft die Stellung eines Kommanditisten. Als Kommanditist hat Herr T. oder dessen Erben jederzeit das Recht zur Einsichtnahme in die Bücher und Geschäftspapiere und zur Unterrichtung über laufende wichtige Geschäftsvorfälle durch den persönlich haftenden Gesellschafter. Die Umwandlung der offenen Handelsgesellschaft in eine Kommanditgesellschaft kann ohne besondere Erklärung zu Lasten der Gesellschaft beantragt werden. Die nach § 16 des Vertrages vom 15. Oktober 1961 für Vertragsänderungen erforderliche Schriftform ist hiermit gewahrt.”

Nach Anmeldung Ende November 1973 erfolgte am 14. Januar 1974 die Eintragung des Klägers als Kommanditist mit einer E...

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