Entscheidungsstichwort (Thema)
Regress. Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung. Kosten für Arzneiverordnungen. Durchschnittswerte. Anscheinsbeweis. Hochrechnung. Schaden
Leitsatz (redaktionell)
1. Stehen die Verordnungskosten eines Vertragsarztes in einem offensichtlichen Missverhältnis zu den durchschnittlichen Kosten der Vergleichsgruppe, begründet dies einen Anscheinsbeweis für ein unwirtschaftliches Verordnungsverhalten.
2. Bestreitet der Vertragsarzt substantiiert die Höhe der ihm zugeschriebenen Verordnungskosten, muss die kassenärztliche Vereinigung die tatsächlichen Kosten im einzelnen nachweisen. Sie darf sich nicht auf eine Einzelfallprüfung mit anschließender Hochrechnung beschränken.
Orientierungssatz
Für die Festsetzung eines Arzneimittelregresses im Rahmen einer repräsentativen Einzelfallprüfung mit anschließender Hochrechnung fehlt es an einer Feststellung der Schadenshöhe, wenn ein Vertragsarzt bereits im Verwaltungsverfahren plausibel gemacht hat, dass die ihm in den streitbefangenen Quartalen statistisch zugeordneten Arzneiverordnungskosten jedenfalls teilweise zu Unrecht in die Gesamtverordnungskosten eingerechnet wurden.
Normenkette
SGB V § 106
Tatbestand
Es geht in dem Rechtsstreit um einen Arzneimittelregress hinsichtlich der Quartale IV/94 bis IV/95 in Höhe von DM 66.050,83. Der Kläger war in G. als Allgemeinarzt niedergelassen und seit März 1989 als Vertragsarzt zugelassen. Die Zulassung ruhte seit März 2002 aus gesundheitlichen Gründen. Seit 1. April 2006 ist der Kläger nach seinen Angaben in M. in einer Gemeinschaftspraxis zugelassen, jedoch wegen seiner Erkrankung dort noch nicht aktiv geworden.
Die Beigeladenen zu 2) bis 8) stellten am 20.12.1995 einen Prüfantrag hinsichtlich des Quartals IV/94 und wiesen auf vom Kläger veranlasste Arzneikosten hin in Höhe von insgesamt DM 194.908,46 bei 2.149 Rezepten und 1.022 Fällen - davon 661 Mitglieder (einschließlich Familienangehörige). Auf die Aufforderung des Prüfungsausschusses teilten die Beigeladenen zu 7) und 8) mit, dass für das Quartal IV/94 nicht mehr alle Verordnungen vorgelegt werden könnten, dass jedoch für I/95 alle Verordnungen aufgehoben würden. Unter Hinweis auf in einem früheren Verfahren (II/93) festgestellte Differenzen zu den angeblich verursachten Verordnungskosten wurde um Übersendung von Fotokopien sämtlicher Verordnungsblätter gebeten. Hierzu teilte der Prüfungsausschuss dem Kläger mit, dass es dem VdAK wegen Ablaufs der Aufbewahrungsfrist nicht mehr möglich sei, alle noch fehlenden Unterlagen nachzureichen. Dieser beanstandete, dass die Unterlagen trotz des laufenden Verfahrens vernichtet worden seien und, dass er durch das Fehlen der Unterlagen die ohnehin fragliche Richtigkeit der behaupteten Höhe seiner Verordnungskosten nicht widerlegen könne. Die Behauptung der Unwirtschaftlichkeit seiner Verordnungsweise könne nicht auf die Statistik gestützt werden. Es stelle sich die Frage, ob in der Vernichtung der Arzneiverordnungen nicht der Versuch zu sehen sei, die rechnerische Unrichtigkeit der Arzneikostenermittlung zu vertuschen. Auf seine Anfrage wurden dem Kläger 2.152 Fotokopien der Verordnungsblätter zugesandt.
Mit Beschluss vom 14.8.1996 (IV/94) setzte der Prüfungsausschuss einen Regress fest in Höhe von DM 3,50 je Fall (M+F+R) bei 330 EK- und 687 PK-Fällen = DM 3.559,50 abzüglich 13 % Apothekenrabatt (DM 462,74) entsprechend einem Betrag in Höhe von DM 3.096,76. In der Begründung heißt es u. a., die Durchsicht der Behandlungsscheine in Verbindung mit den Verordnungsblättern habe ergeben, dass Einsparungen möglich seien. Auffällig sei eine Vielzahl an externen Venensalben oder auch die Verordnung von Mund- und Rachentherapeutika. Der Einsatz von H 2 - Blockern sei häufig durch die angegebenen Diagnosen nicht ausreichend begründet. Hiergegen hat der Kläger am 11.9.1996 Widerspruch eingelegt und diesen u. a. damit begründet, die Statistik beruhe auf unzureichendem und fehlerhaftem Zahlenmaterial. Laut Anlage zum Prüfantrag solle er Arzneimittel für insgesamt DM 194.908,46 verordnet haben. Die aktuelle Arzneikosteninformation gebe 2.163 Rezepte und ein Verordnungsvolumen in Höhe von DM 172.209,64 an mit entsprechenden Durchschnittskosten pro Rezept von DM 79,62. Der Beschluss des Prüfungsausschusses gehe von 193.952,07 DM aus. Dagegen ergäben die ihm übersandten Fotokopien der Rezepte 2.081 Rezepte mit aufaddierten Verkaufspreisen in Höhe von DM 176.638,45 mit entsprechenden Durchschnittskosten pro Rezept von 84,88 DM. Nach seinen eigenen Berechnungen seien DM 176.638,45 Arzneikosten entstanden Sowohl nach den sich daraus ergebenden geringsten Verordnungskosten (DM 172.209,94) als auch nach seiner eigenen Berechnung ergäben sich lediglich Überschreitungen zwischen 43,5 % bzw. von 47,1 %. Der Regressbetrag hätte also geringer ausfallen müssen.
Die Beigeladenen zu 2) bis 8) stellten am 20.3.1996 einen Prüfantrag hinsichtlich des Quartals I/95 und wiesen auf vom Kläger veranlasste Arzneikosten hin in Höhe von ...