Entscheidungsstichwort (Thema)

Schulausbildung. Berufsausbildung. Bibelseminar. Besuch einer Bibelschule. Tätigkeit als Missionar

 

Leitsatz (amtlich)

Werden die an einer Bibelschule erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten jedenfalls von der Mehrzahl der in Betracht kommenden evangelischen Missionsgesellschaften als unverzichtbar angesehen, um Tätigkeiten wie diejenige des Missionars in der äußeren Mission übernehmen zu können, so kann der Besuch eines Bibelseminars an einer solchen Bibelschule der Berufsausbildung i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 1 BKGG zuzurechnen sein (Abgrenzung zu BSG Urteil vom 25. April 1984 – 10 RKG 2/83 = SozR 5870 § 2 Nr. 32).

 

Normenkette

BKGG § 2 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 19.01.1987; Aktenzeichen S-22/1/Kg-47/85)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 19. Januar 1987 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger für seinen Sohn O. in dem Zeitraum Kindergeld zusteht, in dem O. die – privatrechtlich organisierte – Bibelschule B./Schweiz besucht hat.

Der Sohn O. des Klägers ist am 26. Mai 1962 geboren. Er verfügt über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Krankenpfleger. In diesem Beruf war er bis zum 31. Dezember 1984 beschäftigt. Da O. eine Tätigkeit als Missionar im Bereich der Evangelischen Freikirchen anstrebte, besuchte er von Februar 1985 bis August 1987 bei internatsmäßiger Unterbringung den zweijährigen Kursus am Bibelseminar der Bibelschule B. Bibelschule ist Mitglied in der „Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen” der Schweiz und der „Konferenz bibeltreuer Ausbildungsstätten”. Der Abschlußprüfung im Bibelseminar wird keine staatliche Anerkennung zugemessen. Die Kosten für den Besuch der Bibelschule wurden vom Kläger bzw. seinem Sohn getragen.

Der Besuch des Bibelseminars durch den Sohn des Klägers erfolgte ganztags und zwar in den Fächern. Bibelkunde, biblische Lehre, Kirchengeschichte, Missionskunde, Weltreligionen, biblische Psychologie und Lebenskunde sowie dem Fach Methodik des Dienstes. O. K. legte im August 1987 die Abschlußprüfung des zweijährigen Seminars ab. Schriftliche Prüfungsarbeiten wurden in den Fächern Bibelkunde, biblische Lehre, Kirchengeschichte und Methodik des Dienstes vorgelegt. Mündlich wurde das Fach Bibelkunde geprüft.

Am 18. Dezember 1984 beantragte der Kläger, der für seien Sohn R.-T. (geb: 02.04.59) bereits Kindergeld bezog, auch für O. die Gewährung von Kindergeld in der Zeit ab Februar 1985. Durch Bescheid vom 17. Januar 1985 wurde dieser Antrag von der Beklagten mit der Begründung abgelehnt, der Besuch der Bibelschule in B. sei weder als Schul- noch als Berufsausbildung im Sinne des Bundeskindergeldgesetzes anzusehen. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 1985 zurückgewiesen. Im Widerspruchsbescheid führte die Beklagte aus, die Ausbildung an der Bibelschule B. erfolge weder nach staatlichen oder staatlich genehmigten Lehrplänen noch ende sie mit einer staatlich anerkannten Abschlußprüfung. Die Ausbildung an diesem Institut stelle deshalb keine Schulausbildung im Sinne des Bundeskindergeldgesetzes dar. Auch könne diese Ausbildung nicht der Berufsausbildung zugeordnet werden. Zur Berufsausbildung gehörten zwar auch berufliche Fortbildungs-Lehrgänge und Veranstaltungen, die in einer in sich geschlossenen Bildungsmaßnahme neue Kenntnisse und Fertigkeiten für eine höhere Stufe des Berufs vermittelten und mit einer allgemein anerkannten Prüfung abschlössen. An der geforderten allgemeinen Anerkennung der Prüfung fehle es indes hier.

Am 20. Juni 1985 hat der Kläger dagegen Klage erhoben. Er hat vorgetragen, die Ausbildung an der Bibelschule B. sei keine Bildungsveranstaltung, die jedermann nach seinen Neigungen wählen und in Anspruch nehmen könne, sondern eine Ausbildung zum christlichen Missionar, für die seitens der Bibelschule bestimmte Voraussetzungen verlangt würden. Eine allgemeine Anerkennung der Abschlußprüfung sowie des nach drei Jahren zu erlangenden Diploms sei bei der Ausbildung zum Missionar nicht zu erwarten, da die entsendenden Missionsgesellschaften sehr unterschiedlich geprägt seien.

Durch Urteil vom 19. Januar 1987 hat das Sozialgericht – unter Zulassung der Berufung – die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, das beantragte Kindergeld in gesetzlichem Umfang ab Februar 1985 zu gewähren. Das Sozialgericht vertrat die Auffassung, der Besuch des Sohnes des Klägers an der Bibelschule B. stelle keine Schulausbildung dar, da die Bibelschule ihre Lehrpläne aus eigener Entschließung gestalte und diese Lehrpläne ebensowenig wie die Abschlußprüfung staatlich genehmigt noch staatlich anerkannt seien. Dagegen sei der Besuch der Bibelschule als Berufsausbildung im Sinne des Bundeskindergeldgesetzes anzusehen. Denn nach den glaubhaften Darlegungen des Kläg...

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