Entscheidungsstichwort (Thema)

Bezug von Elterngeld. Anspruchsberechtigung eines nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländers

 

Leitsatz (redaktionell)

3. Eine Fiktion gemäß § 84 Abs. 2 S. 2 AufenthG reicht für den Elterngeldbezug nicht aus.

 

Orientierungssatz

1. Für die Anspruchsberechtigung eines nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländers auf Elterngeld kommt es nicht auf den materiellen Anspruch auf den Aufenthaltstitels sondern auf die tatsächliche Erteilung des Aufenthaltstitels, den Besitz an, der zu Beginn des Leistungszeitraums vorliegen muss (Anschluss: BSG, Urteil vom 30. September 2010, B 10 EG 9/09 R, BSGE 107, 1).

2. Die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit muss sich entweder aus der Art des Aufenthaltstitels selbst bzw. dem Gesetz ergeben oder aus einer ausdrücklich beigefügten Nebenbestimmung.

 

Normenkette

BEEG § 1 Abs. 1, 7 Nr. 2; AufenthG § 101 Abs. 1-2, § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 5 Nr. 1, § 102 Abs. 1, § 81 Abs. 4, 2 S. 2

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist noch die Zahlung von Elterngeld für den 2. und 3. Lebensmonat des Kindes nach den Vorschriften des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) streitig.

Die Klägerin, afghanische Staatsangehörige, und ihr Ehemann, B. A., sind Eltern des 2007 geborenen Sohnes C. Sie stellten am 14. März 2007 Antrag auf Elterngeld und legten für die Klägerin als Bezugszeitraum den 1. bis 12. Lebensmonat fest.

Aufenthaltsrechtlich ging folgendes voraus: Auf den Antrag vom September 2003 erteilte die Stadt Frankfurt am Main am 26. Februar 2004 der Klägerin eine Aufenthaltsgenehmigung für drei Monate zur Familienzusammenführung mit der Maßgabe, dass eine selbstständige oder vergleichbar unselbstständige Erwerbstätigkeit nicht gestattet werde. Mit weiterem Bescheid vom 30. April 2004 erteilte die Stadt Frankfurt am Main antragsgemäß eine Aufenthaltserlaubnis befristet bis zum 8. April 2006 zwecks Herstellung und Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft, wiederum mit der Maßgabe, dass eine selbstständige oder vergleichbar unselbstständige Erwerbstätigkeit nicht gestattet sei. Seit November 2005 sind die Klägerin und ihr Ehemann sowie die vier gemeinsamen Kinder Bezieher von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Den am 14. Oktober 2005 gestellten Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis lehnte die Stadt Frankfurt am Main durch Bescheid vom 24. Juli 2006 mit der Begründung ab, die Klägerin und ihre Familie seien nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt ausreichend zu sichern. Dagegen erhob die Klägerin am 23. August 2006 Klage und stellte zugleich Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Mit Beschluss vom 1. Dezember 2006 gab das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main dem Antrag statt und ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den angefochtenen Bescheid an. Daraufhin erteilte die Stadt Frankfurt am Main eine Duldung (§ 60a Abs. 2 Aufenthaltsgesetz - AufenthG -). Die Duldung enthielt den Vermerk, dass eine Erwerbstätigkeit nicht gestattet sei. Sodann hob die Stadt Frankfurt am Main am 19. Februar 2007 den angefochtenen Bescheid vom 24. Juli 2006 auf, woraufhin das verwaltungsgerichtliche Hauptsacheverfahren für erledigt erklärt wurde. Auf den Antrag vom 14. März 2007 erteilte die Stadt Frankfurt am Main der Klägerin eine Bescheinigung gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG befristet für die Zeit vom 14. März bis 13. Juni 2007 (Fiktionsbescheinigung). Die Bescheinigung enthält als Nebenbestimmung “Erwerbstätigkeit gestattet„.

Durch Bescheid vom 20. März 2007 lehnte der Beklagte den Antrag auf Elterngeld ab. Zur Begründung führte er aus, die Klägerin, die nicht über die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines der Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes verfüge, habe Anspruch auf Elterngeld, wenn sie im Besitz eines besonderen, in § 1 Abs. 7 BEEG genannten Aufenthaltstitels sei. Dies treffe auf die Klägerin jedoch nicht zu.

Die Klägerin erhob Widerspruch am 2. April 2007 und machte geltend, aufgrund der erteilten Fiktionsbescheinigung gelte die ursprünglich erteilte Aufenthaltserlaubnis fort, so dass sie die Voraussetzungen des § 1 Abs. 7 Nr. 2 BEEG erfülle.

Am 7. Mai 2007 erteilte die Stadt Frankfurt am Main der Klägerin eine bis zum 6. Mai 2010 befristete Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG, wiederum mit der Nebenbestimmung “Erwerbstätigkeit gestattet„. Daraufhin bewilligte der Beklagte durch Abhilfebescheid vom 25. Mai 2007 Elterngeld in Höhe von 375,00 € monatlich für die Zeit vom 12. Mai 2007 bis 11. Februar 2008 und führte ergänzend aus, eine Abhilfe für die Zeit vor dem 12. Mai 2007 sei nicht möglich, weil die Aufenthaltserlaubnis, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtige, am 7. Mai 2007 ausgestellt worden sei. Dementsprechend seien die Anspruchsvoraussetzungen für das Elterngeld ab dem folgenden Lebensmonat erfüllt. Der Klägerin stehe der Mindestbetrag von 300,00 € zuzüglich Geschwisterbonus von 75,00 € zu. Durch Widerspr...

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