Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Erfüllung der Anwartschaftszeit. Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses im arbeitsgerichtlichen Vergleich. Beginn der Rahmenfrist. Beschäftigungslosigkeit. Auswirkung der Gleichwohlgewährung und Rückerstattung durch den Arbeitgeber. Fortwirkung der Arbeitslosmeldung. Anhängige Kündigungsschutzklage. Wahlrecht. Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Versicherungspflichtverhältnis
Orientierungssatz
1. Die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld kann noch erfüllt werden, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr in einem leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis steht und sich arbeitslos gemeldet hat, sich aber später herausstellt, dass das Arbeitsverhältnis noch weiterbesteht. Meldet sich der Versicherte arbeitslos, bevor die Anwartschaftszeit erfüllt ist, beginnt die Rahmenfrist erst dann, wenn auch die Anwartschaftszeit als Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt ist (vgl BSG vom 3.6.2004 - B 11 AL 70/03 R = SozR 4-4300 § 123 Nr 2)
2. Dies trifft auch dann zu, wenn dem Arbeitslosen noch ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld zugestanden hat, der ihm im Rahmen der Gleichwohlgewährung zunächst ausgezahlt, später jedoch der Bundesagentur für Arbeit wieder vom früheren Arbeitgeber erstattet wurde.
3. Die vorangegangene Arbeitslosmeldung wirkt für den neu entstandenen Arbeitslosenanspruch fort.
Normenkette
SGB III a.F. § 118 Abs. 1 Nr. 3, §§ 119, 122 Abs. 1 S. 1, § 123 Abs. 1, § 124; SGB I § 14
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. September 2012 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Beginn und die Dauer des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III).
Der 1968 geborene Kläger stand bei der Beklagten aufgrund seiner Arbeitslosmeldung vom 2. April 2007 ab 1. Juli 2007 im Bezug von Arbeitslosengeld (vgl. Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 2007, Bl. 68 der Leistungsakte). Dabei wurden eine Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen und ein täglicher Leistungsbetrag von 33,93 Euro festgestellt.
Ab 14. April 2008 stand der Kläger wieder in einem Beschäftigungsverhältnis als Teiledienstmitarbeiter bei der C. GmbH in C-Stadt, weshalb die Beklagte die ursprüngliche Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 21. April 2008 ab 15. April 2008 aufhob und in der Folgezeit den an den Kläger für den 14. April 2008 noch gewährten Betrag i.H.v. 33,93 Euro zurückforderte (vgl. Erstattungsbescheid vom 29. Dezember 2008, Bl. 72 der Leistungsakte). Es verblieb noch ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld für 77 Kalendertage.
Am 3. Dezember 2008 meldete sich der Kläger bei der Beklagten erneut - mit Wirkung zum 1. Januar 2009 - arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Dabei teilte er der Beklagten in dem Antragsformular mit, dass er noch Ansprüche gegen seine (bisherige) Arbeitgeberin, die Firma C., erhebe und daher vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main Klage erhoben habe (Aktenzeichen 7 CA 8721/08). Nach der vorgelegten Arbeitsbescheinigung der vorgenannten Arbeitgeberin vom 29. Dezember 2008 sei der Kläger dort vom 14. April 2008 bis 31. Dezember 2008 beschäftigt gewesen. Das Arbeitsverhältnis sei am 28. November 2008 zum 31. Dezember 2008 durch die Arbeitgeberin schriftlich gekündigt worden. Daneben ist die Frage, ob vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers Anlass für die Kündigung gewesen sei, mit grüner Schrift ausdrücklich verneint worden.
Mit Bescheid vom 5. Februar 2009 (Bl. 70 der Leistungsakte), der vom Kläger nicht angefochten wurde, bewilligte die Beklagte dem Kläger daraufhin Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis 17. März 2009 unter Berücksichtigung der Restanspruchsdauer von 77 Kalendertagen mit einem täglichen Leistungsbetrag in Höhe von 33,93 Euro.
Zugleich wandte sich die Beklagte mit Schreiben ebenfalls vom 5. Februar 2009 an die (ehemalige) Arbeitgeberin des Klägers und machte einen Übergang etwaiger Ansprüche des Klägers auf Arbeitsentgelt in Höhe der geleisteten Zahlungen geltend (§ 143 Abs. 3 bzw. § 143a Abs. 4 SGB III i.V.m. § 115 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X) und informierte den Kläger von der Anzeige des Anspruchsübergangs.
Am 10. März 2009 sprach der Kläger persönlich bei der Beklagten vor und legte ihr eine Kopie der Niederschrift über die öffentliche Sitzung des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 25. Februar 2009 vor. Daraus ergibt sich, dass zwischen den Parteien des Arbeitsgerichtsverfahrens auf dringendes Anraten des Gerichts folgender Vergleich geschlossen wurde:
“1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer ordentlichen, arbeitgeberseitigen, fristgerechten und betriebsbedingten Kündigung...