Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Pflicht des Rentenversicherungsträgers zur Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes bei vollschichtigem Leistungsvermögen des Versicherten
Orientierungssatz
1. Kann der Versicherte noch mindestens sechs Stunden täglich unter den in den Betrieben üblichen Arbeitsbedingungen erwerbstätig sein, so muss er sich zur Verwertung seines Restleistungsvermögens auf sämtliche ihm in gesundheitlicher Hinsicht objektiv zumutbare Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen. Dabei ist die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit nicht geboten.
2. Einer besonders eingehenden Prüfung des Bestehens realer Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bedarf es dann, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische Leistungsbehinderung festgestellt ist oder wenn der Rentenbewerber wegen eines besonders gearteten Berufslebens deutlich aus dem Kreis vergleichbarer Versicherter herausfällt (BSG Urteil vom 27. 4. 1982, 1 RJ 132/89).
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 26. Januar 2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit streitig.
Der 1968 geborene Kläger hat keine Berufsausbildung absolviert bzw. abgeschlossen. Er arbeitete bis 2011 als Lagerist. Seit Februar 2014 bezieht er Arbeitslosengeld II.
Der Kläger stellte am 11. März 2013 Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung und gab dabei an, er leide unter einer Sarkoidose, wodurch er schwere Probleme mit der Atmung habe. Darüber hinaus bestünden anhaltende Schmerzen aufgrund einer Hüftgelenksprothese. Ergänzend legte er einen Bescheid des Versorgungsamtes Darmstadt vom 14. März 2011 vor, mit dem ihm unter Berücksichtigung der Diagnosen bzw. Funktionseinschränkungen Sarkoidose, chronische Bronchitis, Hüftgelenksendoprothese rechts und Bluthochdruck ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 zuerkannt wurde.
Die Beklagte zog einen Befundbericht des Hausarztes des Klägers, Dr. C., vom 16. Mai 2013, den Reha-Entlassungsbericht der A... Klinik A-Stadt vom 24. Januar 2011, das Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit Darmstadt vom 5. Mai 2011 (Herr D.) sowie das Gutachten des MDK Hessen vom 6. Juli 2011 (Dr. E.) bei und holte hierzu eine Stellungnahme ihres Sozialmedizinischen Dienstes vom 21. Mai 2013 (Herr F., Facharzt für Allgemeinmedizin/Sozialmedizin und Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin) ein. Herr F. vertrat die Auffassung, der Kläger könne unter Berücksichtigung der Diagnosen
1. Einschränkung der geistig-emotionalen Belastbarkeit bei Alkoholerkrankung,
2. leichte Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bei granulomatöser Systemerkrankung (Sarkoidose mit Leberbeteiligung, abdomineller Lymphknotenbeteiligung und Verdacht auf pulmonale Sarkoidose Stadium III),
3. Risikofaktorprofil: Übergewicht + Bluthochdruck + Nikotinkonsum,
4. Hüftkopfnekrose rechts, Zustand nach Einpflanzung einer Duokopf-Endoprothese 12/2010
noch leichte und zeitweise mittelschwere Arbeiten im Umfang von sechs Stunden und mehr täglich unter Beachtung von qualitativen Einschränkungen verrichten.
Durch Bescheid vom 11. Juni 2013 lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers ab und führte zur Begründung aus, der Kläger erfülle nicht die medizinischen Voraussetzungen für die begehrte Rente. Nach der medizinischen Beurteilung könne er noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.
Der Kläger erhob Widerspruch am 28. Juni 2013, den er in der Folgezeit nicht begründete. Die Beklagte wies durch Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2013 den Widerspruch mit der Begründung zurück, der Kläger habe zwar im Zeitpunkt der Rentenantragstellung die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt, er sei jedoch weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Der Kläger könne noch sechs Stunden und mehr täglich leichte und zeitweise mittelschwere Arbeiten mit Einschränkungen ausüben. Es liege auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, sodass es deswegen der Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht bedürfe. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aus dem Widerspruchsverfahren, da der Widerspruch nicht weiter medizinisch begründet worden sei.
Mit der am 8. November 2013 zum Sozialgericht Darmstadt erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter und trug vor, seine Sucht könne als abgeschlossen angesehen werden, es habe sich um eine episodenhafte Erscheinung im Zusammenhang mit einem Suizidversuch gehandelt. Sein Hauptproblem sei die Sarkoidose mit erheblichem Einfluss auf die Leistungsfähigkeit. Darüber hinaus sei seine Ausdauerfähigkeit zusätzlich ...