Verfahrensgang
SG Marburg (Urteil vom 14.03.1985; Aktenzeichen S-3/U - 102/83) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 14. März 1985 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger bei seinem am 19. Dezember 1982 erlittenen Unfall unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden hat.
Der im Jahre 1944 geborene Kläger ist der Sohn des Rentners K. R., der als landwirtschaftlicher Unternehmer Mitglied der Beklagten war. Am 19. Dezember 1982 holte er gegen 17.00 Uhr ein Pferd von einer Wiese, die an der Landesstraße von A. nach … – außerhalb der Gemeinde – liegt. Er führte das Tier auf der linken Straßenseite in Richtung … ohne eine Beleuchtung mitzuführen, Dabei, kam es zu einem folgenschweren Zusammenstoß mit einem Leichtkraftrad, das von dem Zeugen R. W. gefahren wurde. Durch den Unfall zog sich der Kläger insbesondere eine Contusio cerebri, eine Sitz- und Schambeinfraktur links, eine supra condyläre Oberschenkelfraktur links sowie ein stumpfes Bauchtrauma mit Leberkontusion zu. Wie die Blutalkoholuntersuchung ergab, hatte der Kläger zur Zeit des Unfalls eine Blutalkoholkonzentration von 3,0 bis 3,1 Promille.
Vom Unfalltag bis zum 31. März 1983 befand sich der Kläger im Kreiskrankenhaus … in stationärer Behandlung. In dem Arztbericht der Dres. … und … vom 20. April 1983 heißt es, der Kläger sei in „volltrunkenem Zustand” angefahren worden; bei der stationären Aufnahme habe sich ein „vom Alkoholrausch stark überlagertes Durchgangssyndrom” gefunden. Der Durchgangsarzt stellte im Durchgangsarztbericht vom 18. Januar 1983 fest, der Kläger sei am Aufnahmetag (19. Dezember 1982) erheblich alkoholisiert gewesen.
In dem gegen beide Unfallbeteiligte durchgeführten Ermittlungsverfahren sah die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht … nach § 153 b StPO mit Zustimmung des Gerichts von der Verfolgung ab (Bescheid vom 24. März 1983). Ein jeweiliges Mitverschulden (Wissemann: § 3 Abs. 1 StVO, der Kläger: § 28 Abs. 2 Nr. 2 StVO) sei nicht auszuschließen; das größere Verschulden dürfte bei dem schwerer verletzten Kläger liegen. Den anschließenden Zivilrechtsstreit entschied das Landgericht … durch Urteil vom 13. Dezember 1983. Insbesondere stellte es fest, daß R. W. verpflichtet sei, dem Kläger 40 % seines materiellen Zukunftsschadens aus dem Verkehrsunfall zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstigen Dritten übergegangen seien. In den Entscheidungsgründen führte das Landgericht aus, daß sich der Kläger ein erhebliches Mitverschulden anrechnen lassen müsse. Er habe entgegen § 28 StVO das Pferd auf der linken Fahrbahnseite geführt und außerdem gegen §§ 28 Abs. 2, 17 StVO verstoßen, indem er trotz Dunkelheit nicht die vorgeschriebene Beleuchtung mitgeführt habe. Unter Berücksichtigung der von dem Leichtkraftrad des Z. W. ausgehenden Betriebsgefahr und seines Verschuldens einerseits und des erheblichen Verschuldens des Klägers andererseits, sei eine Mitverschuldensquote des Klägers von 60 % festzusetzen.
Mit Bescheid vom 25. März 1983 lehnte die Beklagte einen Entschädigungsanspruch mit der Begründung ab, der Kläger habe sich infolge des erheblichen Alkoholgenusses von dem landwirtschaftlichen Betrieb des Vaters gelöst. Den Widerspruch wies die Beklagte durch Bescheid vom 24. August 1983 zurück; in Anbetracht der Blutalkoholkonzentration von 3,0 bis 3,1 Promille habe sich der Kläger im Zustand eines Vollrausches befunden, der die Durchführung einer vernünftigen und zweckgerichteten Arbeit nicht mehr zugelassen habe.
Die am 8. September 1983 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) nach persönlicher Anhörung des Klägers und Vernehmung des R. W. als Zeugen abgewiesen. Zur Begründung führte es im Urteil vom 14. März 1985 im wesentlichen aus, die Beklagte habe es zu Recht abgelehnt, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen. Die Reittierhaltung sei vorliegend kein Nebenunternehmen im Sinne von § 779 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) des landwirtschaftlichen Unternehmens. Es könne deshalb auch dahinstehen, ob der Kläger wie ein landwirtschaftlicher Unternehmer nach § 539 Abs. 1 Nr. 5 RVO tätig geworden sei, als er das Pferd von der Weide geholt habe. Die Reittierhaltung sei vorwiegend aus privaten Gründen betrieben worden. Ein Bezug zur Landwirtschaft liege nur insoweit vor, als das Pferd im leerstehenden Stall für das Milchvieh untergebracht und mit in der Landwirtschaft gewonnenen Erzeugnissen gefüttert worden sei. Indes reiche dies nicht aus, um eine wirtschaftliche Abhängigkeit der Pferdehaltung von dem landwirtschaftlichen Unternehmen zu begründen. Auch die Beigeladene zu 1) sei nicht leistungspflichtig. Der Kläger sei insoweit deshalb von der Versicherung ausgenommen, weil er Halter des Reittieres sei und als solc...