Entscheidungsstichwort (Thema)
Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld bei nicht rechtzeitiger Feststellung der Arbeitsunfähigkeit
Orientierungssatz
1. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB 5 ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird. Dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt.
2. Mittelbar bewirkt die sanktionsfrei gestellte Nachholung der Meldung binnen einer Woche eine Meldefrist. Dabei handelt es sich um eine materielle Ausschlussfrist. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nach § 27 Abs. 5 SGB 10 wegen des besonderen Gesetzeszwecks - zeitnahe Prüfung der Arbeitsunfähigkeit - unzulässig.
3. Bei abschnittsweisen Folgebescheinigungen muss der Versicherte bei Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit vor Fristablauf diese ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse binnen Wochenfrist melden, wenn er das Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld verhindern will.
4. Für die auszustellende Folgebescheinigung ist für den Beginn der Meldefrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB 5 auf den Tag, bis zu dem zuletzt Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurde, abzustellen und nicht auf den Tag der ärztlichen Feststellung der neuen Folgebescheinigung.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 9. Mai 2017 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 7. bis 12. Mai 2016. Streitig ist, ob der Krankengeldanspruch gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch 5. Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) ruht.
Der 1972 geborene und bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Kläger war seit 28. Juli 2015 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und bezog Krankengeld durchgehend bis zum Ablauf der Höchstanspruchsdauer am 23. Januar 2017 - mit Ausnahme des hier streitigen Zeitraums. Der behandelnde Hausarzt B. bestätigte mit Folge-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, ausgestellt am 14. April 2016, weitere Arbeitsunfähigkeit bis Freitag, den 6. Mai 2016. Diese Bescheinigung ging am 21. April 2016 bei der Beklagten ein. Der Kläger suchte seinen Hausarzt sodann am Mittwoch, den 4. Mai 2016, einen Tag vor dem gesetzlichen Feiertag Christi Himmelfahrt auf. Der Hausarzt attestierte am 4. Mai 2016 weitere Arbeitsunfähigkeit bis zum 20. Mai 2016. Diese Bescheinigung ging gemäß Eingangsstempel am 13. Mai 2016 bei der Beklagten ein. Mit Bescheid vom 15. August 2016 lehnte die Beklagte die Zahlung von Krankengeld vom 7. Mai 2016 bis 12. Mai 2016 - unter Bewilligung im Übrigen - ab. Zur Begründung führte sie aus, die Meldung für den Zeitraum der Ablehnung sei nicht innerhalb einer Woche nach ärztlicher Feststellung am 4. Mai 2016 (d.h. bis zum 11. Mai 2016) erfolgt. Der Anspruch auf Krankengeld ruhe deswegen bis zur Nachholung der Meldung am 13. Mai 2016. Den am 14. September 2016 erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass sich aus dem Gutachten des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) vom 31. März 2016 eine fortbestehende erhebliche Gefährdung bzw. Minderung seiner Erwerbsfähigkeit ergebe. Mit Blick hierauf hätte der Beklagten die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit bekannt sein müssen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 2016 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 9. Dezember 2016 Klage zum Sozialgericht Gießen erhoben. Er hat geltend gemacht, dass § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V dem Zweck diene, den Krankenkassen eine zeitnahe Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit bzw. Einleitung von Maßnahmen zur Wiederherstellung zu ermöglichen und Leistungsmissbrauch entgegenzutreten. Das Gutachten des SMD habe auch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vorgesehen. Wegen der im sozialmedizinischen Gutachten vorgeschlagenen innerbetrieblichen Umsetzung habe die Beklagte den Arbeitgeber des Klägers angeschrieben und erst im Juli 2016 dessen abschließende Antwort erhalten. Deshalb habe die Beklagte durchgehend von Arbeitsunfähigkeit ausgehen müssen. Leistungsmissbrauch liege damit nicht vor. Nach dem vom Gericht beigezogenen Gutachten des SMD vom 31. März 2016 konnte trotz erfolgter stationärer medizinischer Rehabilitation und versuchter stufenweiser Wiedereingliederung keine ausreichende Stabilisierung für die letzte Tätigkeit als Verwaltungsangestellter erreicht werden, so dass sich die Notwendigkeit für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Sinne einer innerbetrieblichen Umsetzung ergab. Die Beklagte hat auf die angefochtenen Bescheide verwiesen.
Das Sozialgericht Gießen hat mit Urteil vom 9. Mai 2017 der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Bescheides verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 7. Mai 2016 bis zum 12. Mai 2016 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen. Der Anspruch des Klägers auf Krankengeld ruh...