Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeld. Feststellung und Meldung der Arbeitsunfähigkeit. Anerkennung von Ausnahmen
Orientierungssatz
1. Für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit iS des § 46 S 1 Nr 2 SGB 5 iVm den §§ 5ff der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie - AU-RL (juris: AURL) des Gemeinsamen Bundesausschusses ist die Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bzw einer Bescheinigung für die Krankengeldzahlung unter Verwendung der hierfür vereinbarten Vordrucke notwendig. Nur ausnahmsweise genügt hierfür auch eine andere Form der ärztlichen Feststellung wie zB ein Attest, wenn das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Schwere der Krankheit offenkundig ist.
2. Bei der Meldung der Arbeitsunfähigkeit iS des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB 5 handelt es sich um eine Obliegenheit des Versicherten, deren Folgen bei unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Meldungen grundsätzlich von ihm zu tragen sind.
3. Zur Anerkennung von Ausnahmen für eine strikte Anwendung des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB 5.
Nachgehend
Tenor
Es wird festgestellt, dass sich die von der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 30. September 2010 eingelegte Berufung durch Rücknahme erledigt hat.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 30. September 2010 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt ¼ der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, für welche Zeiträume der Kläger Anspruch auf Krankengeld hat.
Der Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Im Juli 2003 erkrankte er wegen eines Schulter-Arm-Syndroms und Wirbelsäulenbeschwerden arbeitsunfähig. Im weiteren Verlauf trat eine Depression hinzu. Der Kläger bezog zunächst Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und anschließend Krankengeld sowie Übergangsgeld bis einschließlich 31. Dezember 2004. Im Jahr 2005 war der Kläger nicht arbeitsunfähig erkrankt.
Am 3. Februar 2006 erkrankte der Kläger, der zu diesem Zeitpunkt noch als Arbeiter im Schichtsystem in einem Palettenwerk der Firma C. beschäftigt war, erneut arbeitsunfähig. Als Diagnosen gab der Facharzt für Allgemeinmedizin D. “COPD, Lungenemphysem„ an. In dem Befundbericht des Pneumologen Dr. E. vom 8. Februar 2006 wurden als Diagnosen neben einer chronischen obstruktiven Lungenkrankheit und dem Emphysem u.a. ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom sowie eine Depression aufgeführt.
Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Hessen (MDK) bestätigte in dem sozialmedizinischen Gutachten vom 24. Februar 2006 nach körperlicher Untersuchung des Klägers dessen Arbeitsunfähigkeit. Als Diagnosen gab der MDK eine chronische obstruktive Lungenkrankheit mit Emphysem und lungenfachärztlicherseits nachgewiesener weiterer Verschlechterung, ein Wirbelsäulensyndrom ohne Wurzelreizsymptomatik sowie eine Depression an. An Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bestünden keine Zweifel. Zur Rückkehr an den Arbeitsplatz sei dringend eine Arbeitsplatzüberprüfung bzw. -anpassung erforderlich. Mit der Wirbelsäulenproblematik komme der Kläger derzeit zu Recht, die Depression sei medikamentös eingestellt.
Gegenüber der Arbeitgeberin des Klägers gab die Beklagte unter dem 28. Februar 2006 an, dass Arbeitsunfähigkeit anerkannt werde. Der Kläger erhielt hierauf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bis einschließlich 17. März 2006. Das Beschäftigungsverhältnis wurde mit Aufhebungsvertrag zum 30. Juni 2006 beendet.
Mit Bescheid vom 8. März 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass eine Krankengeldzahlung nicht möglich sei, weil er wegen derselben Erkrankung bereits zuvor bis zum Anspruchsende (3. Juli 2006) innerhalb von drei Jahren Krankengeld bezogen habe. Er solle sich nach Ablauf der Entgeltfortzahlung mit der Beigeladenen in Verbindung setzen. Der Kläger bezog vom 18. März 2006 bis 27. September 2006 sowie ab dem 27. Oktober 2006 Arbeitslosengeld. Seit dem 12. März 2007 erhält er Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Gegen den Bescheid der Beklagten erhob der Kläger Widerspruch und führte aus, dass die Arbeitsunfähigkeit ausschließlich auf die chronische obstruktive Lungenerkrankung zurückzuführen sei. Wirbelsäulenerkrankung und Depression hingegen hätten nicht zur Arbeitsunfähigkeit geführt. Sie seien vielmehr als Diagnosen aufgenommen worden, weil es sich hierbei um chronische Dauererkrankungen handele, wie sich aus dem entsprechenden Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin D. vom 6. März 2006 ergebe.
Mit Schreiben vom 13. März 2006 teilte Dr. E. der Beklagten mit, dass dem Kläger wegen der Lungenerkrankung Arbeitsunfähigkeit attestiert worden sei. Der Krankengeldanspruch des Klägers solle daher erneut überprüft werden.
Aktenkundig sind Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen im streitigen Zeitraum für die Zeiten vom 10. März bis 28. April 2006. Der Facharzt für Allgemeinmedizin D. bescheinigte zudem unter dem 10. Juni ...