Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherung. Versicherungspflicht bzw -freiheit. Aushilfstätigkeit zwischen Ausbildungsverhältnis und Studium
Orientierungssatz
Zur Versicherungspflicht bzw -freiheit einer zeitlich auf längstens zwei Monate befristeten Aushilfsbeschäftigung, die zwischen dem Ende des Ausbildungsverhältnisses und dem Beginn eines Studiums ausgeübt wurde.
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 23. Februar 1988 abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 17. Juli 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. August 1984 wird aufgehoben und festgestellt, daß der Kläger in der Zeit vom 9. Juli 1984 bis 7. September 1984 nicht versicherungspflichtig beschäftigt war. Die Beklagte wird ferner verurteilt, dem Kläger die eingezogenen Arbeitnehmer-Beitragsanteile der Gesamtsozialversicherungsbeiträge zurückzuzahlen und den Rückzahlungsbetrag hinsichtlich der schon vor dem 1. September 1984 entrichteten Beiträge ab dem 1. September 1984 und im übrigen ab dem jeweiligen Zeitpunkt der Entrichtung mit 4 v.H. zu verzinsen. Hinsichtlich des weitergehenden Zinsanspruchs wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger und der Beigeladenen zu 3) die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten; im übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die vom Kläger in der Zeit vom 9. Juli 1984 bis 7. September 1984 ausgeübte Tätigkeit in der Kranken- und Rentenversicherung versicherungs- und in der Arbeitslosenversicherung beitragspflichtig war oder Versicherungsfreiheit gemäß- § 8 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften (SGB 4) bestand.
Der 1960 geborene Kläger war vom 1. September 1981 bis zum 6. Juli 1984 zur Berufsausbildung als Werkzeugmacher bei der Firma C. & Co. GmbH in C-Stadt versicherungspflichtig beschäftigt. Danach wurde er aufgrund eines schriftlichen "Aushilfs-Arbeitsvertrages" vom 9. Juli 1984 für die Zeit vom 9. Juli 1984 bis 7. September 1984 mit einem Facharbeiterstundenlohn von 13,30 DM brutto eingestellt. Normale Aushilfen erhielten zu dieser Zeit nur 9,16 DM brutto pro Stunde. Bereits vor Abschluß des Aushilfs-Arbeitsvertrages hatte sich der Kläger um die Zulassung zum Maschinenbaustudium an einer Universität/Gesamthochschule des Landes Nordrhein-Westfalen beworben. Die Vergabe der Studienplätze für diesen Studiengang erfolgte im besonderen Verteilungsverfahren der ZVS in E-Stadt, so daß die Zulassung sicher und nur noch über den Ort des Studiums zu entscheiden war. Am 1. Oktober 1984 nahm der Kläger dann auch das Studium an der Universität/Gesamthochschule D-Stadt auf und war seither gemäß § 165 Abs. 1 Nr. 5 Reichsversicherungsordnung (RVO) Mitglied der Beklagten. Nachdem hinsichtlich der vorangegangenen Aushilfsbeschäftigung unterschiedliche Rechtsstandpunkte vertreten worden waren, stellte die Beklagte durch Bescheid vom 17. Juli 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. August 1984 förmlich die Versicherungspflicht des Klägers in allen Versicherungszweigen mit der Begründung fest, daß die Aushilfstätigkeit wegen der Weiterbeschäftigung und der Zahlung des vollen Tariflohns als berufsmäßig ausgeübt angesehen werden müsse und die Zeitgrenze von zwei Monaten innerhalb eines Jahres unter Berücksichtigung der Ausbildungsbeschäftigung ebenfalls überschritten werde.
Die dagegen am 20. August 1984 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Kassel durch Urteil vom 23. Februar 1988 abgewiesen und dazu im wesentlichen ausgeführt: Die Ausbildungsbeschäftigung des Klägers sei zwar nicht bei der Ermittlung des 2-Monatszeitraumes, jedoch bei der Prüfung zu berücksichtigen, ob die anschließende befristete Aushilfsbeschäftigung berufsmäßig ausgeübt worden sei. Berufsmäßigkeit sei hier zu bejahen, weil die erfolgreich abgeschlossene Ausbildung zum Werkzeugmacher die Voraussetzungen dafür geschaffen habe, daß der Kläger in Zukunft als Facharbeiter aushilfsweise ein erhebliches Entgelt habe erzielen können und dies durch die Aushilfsbeschäftigung tatsächlich auch erzielt habe. Dieses hohe Entgelt sei für die wirtschaftliche Stellung des Klägers von erheblicher Bedeutung, weil es ihm ermögliche, seinen Lebensunterhalt in größerem Umfang sicherzustellen. Die vom Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 11. Juni 1980 (= SozR 2200 § 168 Nr. 5) für eine kurzfristige Beschäftigung zwischen Abitur und Studium herausgearbeiteten Grundsätze seien daher auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden.
Gegen das seinem Prozeßbevollmächtigten am 22. März 1988 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28. März 1988 Berufung eingelegt und vorgetragen: Die vom SG vorgenommene Abgrenzung des Begriffs "berufsmäßig" sei unzutreffend. Es sei bereits fehlerhaft, bei der Inhaltsbestimmung der Berufsmäßigkeit überhaupt auf eine bestimmte berufliche Qualifikation abzustellen. Außerdem habe die zuvor durchlaufene Berufsausbildung völlig außer Betracht zu bleiben, da sie...