Entscheidungsstichwort (Thema)
Bedürftigkeit. Unterhaltsansprüche des Arbeitslosen. Einkommensbegriff. Pauschalierung von Freibeträgen. Anrechnung der Witwengrundrente nach dem BVG
Leitsatz (amtlich)
1. Der eigenständige Einkommensbegriff des § 138 Abs. 2 und Abs. 3 AFG findet keine Anwendung auf Unterhaltsansprüche, die dem Leistungsberechtigten im Rahmen des § 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG gegenüber Dritten zugerechnet werden.
2. Soweit die Bundesanstalt für Arbeit Richtlinien aufgestellt hat, die pauschalierend Freibeträge zur Ermittlung des Eigenbedarfs von Unterhaltsverpflichteten im Rahmen der nach § 138 Abs. 1 AFG durchzuführenden Bedürftigkeitsprüfung beinhalten, ist diese, der Verwaltungsvereinfachung mit dem Ziel der Gleichbehandlung dienende Regelung, jedenfalls dann nicht zu beanstanden, wenn durch sie im Ergebnis keine höheren als die tatsächlich bestehenden Unterhaltsansprüche zugrunde gelegt werden.
3. Die dem Unterhaltsverpflichteten zustehende Witwengrundrente nach dem BVG ist bei der Ermittlung der Unterhaltsansprüche des Arbeitslosen den Einkünften des Unterhaltsverpflichteten zuzurechnen. Eine vollständige oder teilweise Außerachtlassung der Witwengrundrente bei der Feststellung der Höhe der Unterhaltsverpflichtung kommt deshalb nicht in Betracht.
Normenkette
AFG § 138 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 3 Nr. 5; BGB § 1601 ff; BVG § 40
Verfahrensgang
SG Wiesbaden (Urteil vom 11.12.1981; Aktenzeichen S-5/Ar-11/81) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 11. Dezember 1981 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der dem Kläger zustehenden Arbeitslosenhilfe. Umstritten ist dabei insbesondere die Frage, inwieweit die der Mutter des Klägers zustehende Witwengrundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) bei der Feststellung des Umfangs der Bedürftigkeit des Klägers in der Zeit ab Oktober 1980 zu berücksichtigen ist.
Der Kläger ist am 5. Juli 1951 geboren. Er hat einen im Jahre 1953 geborenen Bruder. Der Vater des Klägers ist 1971 verstorben. Die Mutter des Klägers ist Frau Waltraud … Frau … ist am 10. August 1914 geboren. Aus ihrer Ehe mit Erich … (geb. 31.1.1912) sind drei Kinder hervorgegangen. Keines der Geschwister des Klägers war 1980 gegenüber Frau … unterhaltsberechtigt. Erich … ist am 13.6.1945 in russischer Kriegsgefangenschaft verstorben. Frau … bezieht als Hinterbliebene von Erich … vom Versorgungsamt … eine Witwengrundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz.
Der Kläger war zwischen dem 1. Juli 1978 und dem 26. September 1980 Vermessungsreferendar im … Landesvermessungsamt. Das eingegangene Beamtenverhältnis auf Widerruf endete durch die Ablegung der großen Staatsprüfung.
Am 1. Oktober 1980 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosenhilfe. Durch Bescheid vom 31. Oktober 1980 wurde diese Arbeitslosenhilfe in Höhe von 213,58 DM wöchentlich bewilligt. Ermittelt wurde dieser Betrag aufgrund eines wöchentlichen Arbeitsentgelts von 590,00 DM, das zu einem ungekürzten Leistungssatz von wöchentlich 221,40 DM führte. Dieser Betrag wurde im Rahmen der durchgeführten Bedürftigkeitsprüfung um einen sogenannten Anrechnungsbetrag gekürzt. Der Anrechnungsbetrag seinerseits war aufgrund der regelmäßigen Gesamteinkünfte der Mutter im Jahre 1980 in Höhe von 1.435,50 DM ermittelt worden. Diese Gesamteinkünfte setzten sich zusammen aus einer Erwerbsunfähigkeitsrente sowie einer Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 315,60 DM bzw. 699,90 DM sowie einer Witwen-Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz in Höhe von monatlich 420,00 DM. Von diesem Betrag von 1.435,50 DM wurde zur Ermittlung des Anrechnungsbetrages ein monatlicher Freibetrag von 1.300,00 DM abgesetzt und von dem übersteigenden Betrag von 135,50 DM ein Viertel – also 33,80 DM – im Monat berücksichtigt. Umgerechnet auf die Woche ergab sich damit ein Anrechnungsbetrag von 7,82 DM.
Gegen die Einbeziehung der Witwengrundrente in die Einkünfte seiner Mutter bei der Feststellung seiner Bedürftigkeit richtete sich der vom Kläger gegen den Bescheid vom 31. Oktober 1980 eingelegte Widerspruch. Durch Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 1981 wurde dieser Widerspruch zurückgewiesen.
Am 30. Januar 1981 hat der Kläger beim Sozialgericht Wiesbaden dagegen Klage erhoben. Er hat vorgetragen, zwar sei zur Ermittlung der Höhe seines Unterhaltsanspruchs gegenüber seiner Mutter grundsätzlich das Einkommen des Unterhaltspflichtigen heranzuziehen. Hinsichtlich dieses Einkommens habe das Arbeitsförderungsgesetz indes einen eigenen Einkommensbegriff geschaffen. Grundrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz würden danach gemäß § 138 Abs. 3 Nr. 5 Arbeitsförderungsgesetz nicht als Einkommen angesehen. Demzufolge müsse auch bei der Ermittlung seines Unterhaltsanspruchs und damit des Umfang...