Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Honorarverteilungsvertrag. Vereinbarkeit des Beschlusses des Bewertungsausschusses in seiner 93. Sitzung am 29.10.2004 mit höherrangigem Recht. Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen. Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen. Beurteilungsspielraum. Sicherstellung der ärztlichen Versorgung. Ausnahme vom Regelleistungsvolumen unter Berücksichtigung der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Vorliegen einer echten Spezialisierung

 

Orientierungssatz

1. Der Beschluss des Bewertungsausschusses in seiner 93. Sitzung am 29.10.2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen gem § 85 Abs 4 SGB 5 mit Wirkung vom 1.1.2005 (DÄ 101, Ausgabe 46 vom 12.11.2004, Seite A-3129 = B-2649 = C-2525) sowie die daran anknüpfenden Regelungen in Ziff 6.3 HVV sind mit höherrangigem Recht vereinbar (vgl LSG Darmstadt vom 11.2.2009 - L 4 KA 82/07, vom 29.4.2009 - L 4 KA 76/08 und vom 24.06.2009 - L 4 KA 85/08).

2. Bei der Entscheidung des Vorstands der KV Hessen gem Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV 2005, aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung praxisbezogene Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen gemäß Anlage zu Ziffer 6.3 vorzunehmen, steht diesem ein Beurteilungsspielraum zu.

3. Von einer Sicherstellung der ärztlichen Versorgung kann nur ausgegangen werden, wenn es für die Versicherten unter Berücksichtigung der festgestellten Nachfrage nach den streitgegenständlichen ärztlichen Leistungen entweder im Planungsbereich selbst oder zumindest in den unmittelbar angrenzenden Planungsbereichen eine in zumutbarer Zeit erreichbare ausreichende Zahl von Behandlern gibt, die in der Lage wären, die notwendige Versorgung mit solchen Leistungen zeitnah sicherzustellen (vgl LSG Darmstadt vom 17.03.2010 - L 4 KA 25/08, L 4 KA 28/08 und L 4 KA 29/08).

4. Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG erfordert eine Ausnahme vom Regelleistungsvolumen außer für den im HVV 2005 geregelten Fall einer Sicherstellungsproblematik auch dort, wo sich innerhalb einer Arztgruppe bereits vor Inkrafttreten der Regelungen über die Regelleistungsvolumina Ärzte mit Leistungen in zulässiger Weise spezialisiert hatten und dieses spezifische Leistungsangebot durch das Regelleistungsvolumen der Fachgruppe, der sie zugeordnet sind, nicht leistungsangemessen abgedeckt wird (vgl LSG Darmstadt vom 17.03.2010 - aaO).

5. Für die Frage, wann eine echte Spezialisierung vorliegt, welche im Rahmen des Regelleistungsvolumens die Notwendigkeit einer Ausnahmeregelung begründet, kann an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu ähnlichen Problemlagen angeknüpft werden (vgl zB BSG vom 22.3.2006 - B 6 KA 80/04 R = SozR 4-2500 § 87 Nr 12).

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 21. Mai 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten auch des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen für die Quartale ab II/05 hat.

Die Klägerin ist als medizinisches Versorgungszentrum in der Rechtsform einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts in ZZ. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Bis zum 30. April 2005 waren die Fachärzte für Anästhesiologie Frau Dr. E, Frau Dr. Q., Frau Dr. W. und Herr Dr. R. als Gemeinschaftspraxis tätig. Ab dem 1. Mai 2005 schlossen sie sich mit Frau Dr. T., hausärztlich tätige Internistin, zu dem klagenden medizinischen Versorgungszentrum zusammen. Frau Dr. T. wurde als angestellte Ärztin ohne vertragsärztliche Zulassung als vollständiges MVZ-Mitglied berücksichtigt, da sie mit einem Bewertungsfaktor von mehr als 30 Stunden bei der Beklagten geführt wurde. Nach Ausscheiden der Frau Dr. T. aus dem MVZ am 1. Oktober 2005 trat der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. XW. ebenfalls als angestellter Arzt in das MVZ mit einem Bewertungsfaktor von mehr als 30 Stunden ein. Ab dem 1. Juli 2006 wurde der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. L. mit zusätzlicher Fachgebietsanerkennung Anästhesiologie als weiterer Arzt angestellt. Alle sechs im MVZ tätigen Ärzte besitzen die Genehmigung zur Erbringung von Schmerztherapien nach Nrn. 30700 und 30701 EBM 2005. Die Beklagte ordnete die Klägerin der Honorargruppe B 2.1 des Honorarverteilungsvertrages und abrechnungstechnisch der Fachgruppe/Arztgruppe der Fachärzte für Anästhesiologie VfG 09/00 zu.

Die Gemeinschaftspraxis erwirtschaftete im Quartal I/05 im Bereich der Primär- und Ersatzkassen bei 1435 abgerechneten Behandlungsfällen ein quotiertes Honorar in Höhe von 232.116,31 €. Für die Folgequartale ergeben sich die Festsetzungen der Beklagten aus nachfolgender Übersicht:

Quartal

Honorarbe-scheid

Bruttohonorar

PK + EK in €

Nettohonorar

PK + EK in €

Auffüllung/Kür-zung 7.5 HVV

Fallzahl

II/05 GP

29. 6. 2006

88.627,76

86.855,81

58.447,78

977

II/05 MVZ

29. 6. 200...

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