Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingliederungszuschuss an Arbeitgeber. Vorliegen von Vermittlungshemmnissen. persönlicher Wettbewerbsnachteil. Kausalität zwischen Eingliederungszuschuss und Beschäftigung. tatsächlicher Beginn. keine Prognoseentscheidung. Beschäftigung von Verwandten. Gleichbehandlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Vermittlungshemmnisse iS des § 217 S 1 SGB 3 idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I 2003, 2848) - SGB III F: 2004 - liegen vor, wenn der Arbeitnehmer im Vergleich zu anderen Bewerbern, mit denen er auf dem für ihn in Betracht kommenden räumlichen und fachlichen Arbeitsmarkt konkurriert, unter persönlichen Wettbewerbsnachteilen leidet. Das ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer den Fallgruppen des § 218 Abs 1 SGB 3 aF zuzuordnen ist.

2. Die Kausalität zwischen Eingliederungsleistung und Beschäftigung ist nicht gegeben, wenn die mutmaßliche Minderleistung des Arbeitnehmers den Arbeitgeber auch ohne Eingliederungszuschuss nicht von einer Beschäftigung abgehalten hätte. Dabei ist auf den tatsächlichen Beginn der konkreten Beschäftigung abzustellen, wenn mit ihrem vorzeitigen Beginn besondere Eingliederungseffekte verbunden sind.

3. § 217 S 2 SGB 3 F: 2004 verlangt im Gegensatz zur vorher geltenden Fassung (BSG vom 6.4.2006 - B 7a AL 20/05 R = SozR 4-4300 § 324 Nr 2) tatbestandlich grundsätzlich nicht mehr eine Prognose der BA über das Erfordernis eines Eingliederungszuschusses zur Wiedereingliederung.

4. Es verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art 3 Abs 1 GG, eine Beschäftigung von Verwandten gemäß § 217 SGB 3 nur unter besonderen Voraussetzungen zu fördern, die bei anderen Personengruppen nicht vorliegen müssen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 06.05.2008; Aktenzeichen B 7/7a AL 16/07 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird der Bescheid der Beklagten vom 29. Juli 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2005 aufgehoben. Das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 26. Juni 2006 wird geändert und die Beklagte verurteilt, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des 1. Rechtszugs zu 75% und des 2. Rechtszugs in vollem Umfang zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger einen Eingliederungszuschuss für die Beschäftigung seiner Schwester ab 15. Dezember 2004 zu gewähren hat.

Die 1964 geborene Schwester des Klägers (Zeugin) verfügt über den Schulabschluss der Mittleren Reife. Sie erhält seit Juli 1987 von der Beklagten Entgeltersatzleistungen wegen Arbeitslosigkeit. Sie stand in einem Beschäftigungsverhältnis vom 7. Januar 1986 bis zum 30. Juni 1987, 1. Februar 1989 bis 31. Juli 1990, 1. Februar 1993 bis 31. Januar 1994, 15. November 1994 bis 14. November 1995 und 3. Mai 2004 bis 17. August 2004. Die letztgenannte Tätigkeit als Vertriebsmitarbeiterin/Kundenberaterin im IT-Bereich, für die der Arbeitgeber einen Eingliederungszuschuss erhielt, beendete sie vorzeitig in der Probezeit durch personenbedingte Kündigung des Arbeitgebers.

Sie erhielt für eine Begleitmaßnahme zum Erwerb der Mittleren Reife vom 3. Oktober 1988 bis 31. Januar 1989 Berufsausbildungsbeihilfe. In der Zeit vom 19. November 1990 bis 31. Januar 1992 erfolgte eine Weiterbildung im Wege der beruflichen Rehabilitation zur „Fachberaterin EDV“. Ab dem 29. September 1997 nahm sie eine Weiterbildungsmaßnahme zur Fachreferentin „Tourismus und Marketing“ auf, die sie wegen hohen Krankenstandes vorzeitig zum 6. August 1998 beendete. Eine Basisqualifizierung für Langzeitarbeitslose durchlief sie vom 3. Januar 2000 bis zum 30. Juni 2000. Trainingsmaßnahmen erfolgten vom 11. Juni 2001 bis 22. Juni 2001, 11. März 2002 bis 5. Mai 2002 und 30. September 2004 bis 15. Oktober 2004. Eine weitere Bildungsmaßnahme "Büro 2000 -Praxistraining EDV Anwendungen, Schreibtechnik und Textformulierung" nahm sie vom 6. Mai 2002 bis zum 10. September 2002 wahr. Bei einem Beratungsgespräch vom 30. Januar 2004 gab sie an, eine weitere Umschulung anzustreben, weil sie ihren erlernten Beruf seit 4 Jahren nicht ausgeübt habe.

Der Kläger, Inhaber eines Fuhrbetriebes, stellte am 29. November 2004 mündlich bei der Beklagten einen Antrag auf Zahlung eines Eingliederungszuschusses für die beabsichtigte Einstellung der Zeugin ab 1. Dezember 2004. Bei dem Beratungsgespräch wies der Mitarbeiter der Beklagten darauf hin, dass eine Förderung ausgeschlossen sei, weil es sich bei der Zeugin um die Schwester des Klägers handele. Das mit Datum vom 23. März 2005 ausgefüllte Antragsformblatt reichte der Kläger am 26. Juli 2005 bei der Beklagten ein. Dabei fügte er den schriftlichen Arbeitsvertrag vom 14. Dezember 2004 bei. Dem unbefristeten Arbeitvertrag ist ein Beschäftigungsbeginn ab 15. Dezember 2004 als Büroangestellte in einer Vollzeitbeschäftigung gegen ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 1.600,00 € zuzüglich Sozialzulage zu entnehmen. Au...

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