Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf für erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte. Weitergewährung für eine Übergangszeit nach Maßnahmeabschluss. sozialgerichtliches Verfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Zur übergangsweisen Weiterberücksichtigung des Mehrbedarfs für erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte nach Abschluss der Maßnahme auf der Grundlage von § 21 Abs 4 S 2 SGB II und den damit zusammenhängenden verfahrensrechtlichen Fragen.

 

Normenkette

SGB II § 21 Abs. 4 S. 2, § 7 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-3, §§ 7a, 8-9, 16, 19 Abs. 1 S. 3, § 20 Abs. 2 S. 1, § 37 Abs. 1 S. 1, § 41 Abs. 3 S. 1, § 41a Abs. 4 S. 1 a.F.; SGB XII Anl. zu § 28; SGB X § 39 Abs. 2, § 44; SGG § 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, §§ 56, 86, 96 Abs. 1-2, § 144 Abs. 1 S. 2, § 151 Abs. 1, § 153 Abs. 1-2, § 160 Abs. 2; Sozialschutz-Paket III Art. 8

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 27.09.2022; Aktenzeichen B 7/14 AS 405/21 B)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel - S 9 AS 484/20 - vom 25. Februar 2021 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 4 SGB II über den 31. Mai 2020 hinaus.

Die 1957 geborene Klägerin erhält seit mehreren Jahren - mit einer mehrmonatigen Unterbrechung in den Jahren 2018/2019 - Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende von dem Beklagten. Daneben bezieht sie eine rumänische Rente, die allerdings im Jahr 2020 nur einen Betrag von rund 160,- Euro monatlich erreichte.

Für die von ihr - alleine - bewohnte Wohnung fielen seit dem 1. Februar 2019 monatlich eine Kaltmiete von 232,07 Euro und eine Betriebskostenvorauszahlung von 99,- Euro an. Wegen der Einzelheiten wird auf die Vermieterbescheinigung der Nassauischen Heimstätte - Wohnstadt Stadtentwicklungs- und Wohnungsbaugesellschaft, A-Stadt, vom 10. Dezember 2019 Bezug genommen (elektronisch übermittelte Leistungsakte des Beklagten - im Folgenden: LA - Bl. 537). Hinzu kamen Heizkostenvorauszahlungen in Höhe von - ab März 2020 - 43,- Euro monatlich, welche die Klägerin direkt an das Versorgungsunternehmen, die Städtischen Werke AG, A-Stadt, zu zahlen hatte (vgl. LA Bl. 550).

Seit dem Jahr 2013 war die Klägerin im Reinigungsdienst bei der Fa. Vitos Service GmbH, A-Stadt, beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis besteht - bei einer zwischenzeitlich ausgesprochenen Kündigung zum 31. Dezember 2022 - fort; die Klägerin arbeitete jedoch längere Zeit auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen tatsächlich nicht mehr (seit 1. Februar 2021 hat sie die Tätigkeit allerdings, soweit ersichtlich, wiederaufgenommen). Wegen der gesundheitlichen Einschränkungen ist bei der Klägerin seit dem Jahr 2018 ein Grad der Behinderung von 80 und das sogenannte Merkzeichen G anerkannt. Mit Bescheid vom 15. April 2019 (LA Bl. 423 ff.) bewilligte ihr die Deutsche Rentenversicherung Hessen eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Integrationsmaßnahme beim Berufsförderungswerk Frankfurt am Main - Regionalcenter A-Stadt -, die vom 11. Juni 2019 bis zum 10. Juni 2020 durchgeführt wurde. Ein Antrag der Klägerin vom 7. Mai 2020 (LA Bl. 593), die Dauer der Maßnahme zu verlängern, blieb erfolglos.

Während der Teilnahme an der Maßnahme erhielt die Klägerin ergänzend zu dem vom Rentenversicherungsträger gezahlten Übergangsgeld weiterhin Arbeitslosengeld II. Konkret bewilligte der Beklagte der Klägerin auf Fortzahlungsantrag vom 17. Dezember 2019 durch Bescheid vom 2. Januar 2020 - vorläufig - Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. Februar 2020 bis zum 31. Juli 2020, und zwar in Höhe von 89,47 Euro monatlich für Februar bis Mai 2020, 516,97 Euro für Juni 2020 und 764,47 Euro für Juli 2020. Dabei berücksichtigte er jeweils den Regelbedarf in Höhe von 432,- Euro monatlich, einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung wegen einer bei der Klägerin bestehenden Zöliakie in Höhe von 86,40 Euro monatlich sowie (nur) bis 11. Juni 2020 den Mehrbedarf für erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, nach § 21 Abs. 4 SGB II in Höhe von 151,20 Euro je vollem Monat. Zudem stellte er die Grundmiete und die Nebenkosten jeweils in ihrer tatsächlichen Höhe von 232,07 Euro beziehungsweise 99,- Euro monatlich in die Berechnung ein. Dem stellte er Einkommen aus der rumänischen Rente in Höhe von 165,- Euro sowie aus Übergangsgeld (ebenfalls nur) bis 11. Juni 2020 in Höhe von 826,20 Euro für einen vollen Monat gegenüber, wobei er das Einkommen um Absetzungen in Höhe von 80,- Euro bereinigte. Wegen der Einzelheiten wird auf LA Bl. 539 ff. Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 4. Februar 2020 änderte der Beklagte, nachdem die Klägerin die Abrechnung der Städtischen Werke ein...

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