Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlöschen des Restanspruchs auf Arbeitslosengeld. Anforderungen an Arbeitslosmeldung. Durchführung der Arbeitsvermittlung
Orientierungssatz
1. An die Arbeitslosmeldung als Tatsachenerklärung sind keine übertriebenen Anforderungen zu stellen (vgl BSG vom 19.1.2005 - B 11a/11 AL 41/04 R). Eine Arbeitslosmeldung liegt bereits vor, wenn ein Versicherter persönlich bei dem Arbeitsamt vorspricht, darauf hinweist, dass seine letzte Beschäftigung beendet ist (sei diese selbstständiger oder unselbständiger Art gewesen), und zum Ausdruck bringt, dass er eine (unselbständige) Arbeit sucht und hierzu die Hilfe des Arbeitsamtes in Anspruch nehmen möchte.
2. Hat eine solche persönliche Vorsprache nach Überzeugung des Gerichts vor Ablauf der Ausschlussfrist des § 147 Abs 2 SGB 3 stattgefunden und kann davon ausgegangen werden, dass die Arbeitslosigkeit bis zur erneuten Meldung nach einem Jahr andauerte, Arbeitsfähigkeit und Arbeitsbereitschaft vorlag und alle Möglichkeiten der Beschäftigungs- bzw Arbeitssuche genutzt wurden, so besteht der Restanspruch auf Arbeitslosengeld. Die zusätzliche ausdrückliche Stellung eines Antrages auf Arbeitslosengeld, ist nicht mehr Leistungsvoraussetzung, sondern gilt mit der Arbeitslosmeldung als gestellt.
3. Die Vorschrift des § 38 Abs 4 S 2 SGB 3 findet nur bei Arbeitsuchenden ohne Leistungsanspruch Anwendung. Bei Arbeitsuchenden mit Anspruch auf Ersatz des Arbeitsentgelts bei Arbeitslosigkeit besteht die Verpflichtung zur Arbeitsvermittlung auch ohne Erneuerung des Arbeitsgesuchs (§ 38 Abs 4 S 1 Nr 1 SGB 3).
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 14. Oktober 2004 sowie der Bescheid der Beklagten vom 24. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juni 2002 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld für die Zeit ab 15. Mai 2001 für 333 Kalendertage in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Es geht in dem Rechtsstreit um Arbeitslosengeld ab 15. Mai 2001 und dabei insbesondere um die Frage, ob ein Restanspruch gemäß § 147 Abs. 2 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB 3) erloschen ist.
Der 1953 geborene Kläger ist gelernter Schreiner und Holztechniker. Er war zuletzt versicherungspflichtig beschäftigt von April 1991 bis 31. August 1997 und bezog sodann vom 1. September 1997 bis zum 31. Juli 1998 Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 22. Januar 1998 hatte die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass er ab 1. Januar 1998 nach Umrechnung des bisherigen Restanspruchs noch 545 Kalendertage Anspruch auf Arbeitslosengeld habe, so dass zum 31. Juli 1998 ein Restanspruch von 333 Kalendertagen verblieb.
Zum 1. August 1998 nahm der Kläger eine selbständige Tätigkeit auf (lt. Gewerbeanmeldung: Montage von vorgefertigten Teilen (Fenster, Möbel, Türen).
Zum 27. April 2001 meldete der Kläger das Gewerbe wieder ab.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob sich der Kläger Anfang bis spätestens Mitte Mai 2001 bei dem Arbeitsamt gemeldet, dort ein Formular über seinen beruflichen Werdegang ausgefüllt und mit einem Sachbearbeiter ein Beratungsgespräch geführt hat.
In den zwischenzeitlich bei der Beklagten offenbar versehentlich vernichteten Leistungsakten der Beklagten sollen über die Vorsprache im Mai 2001 keine Unterlagen enthalten gewesen sein.
Am 12. April 2002 hat der Kläger bei der Beklagten vorgesprochen, sich arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt.
Mit Bescheid vom 24. April 2002 hat die Beklagte den Antrag mit der Begründung abgelehnt, der Kläger habe seit dem Erlöschen des Anspruchs am 2. September 2001 nicht mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden und daher keine neue Anwartschaft erworben. Einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe erfülle der Kläger ebenfalls nicht, da er innerhalb der Vorfrist vom 12. April 1999 bis zum 1. April 2002 kein Arbeitslosengeld bezogen habe.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juni 2002 zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Beklagte u. a. ausgeführt, der Anspruch auf Arbeitslosengeld könne gemäß § 147 SGB 3 nicht mehr geltend gemacht werden, wenn nach seiner Entstehung vier Jahre verstrichen seien. Der am 1. September 1997 entstandene Anspruch sei am 2. September 2001 erloschen und habe daher am 12. April 2002 nicht mehr geltend gemacht werden können. Soweit der Kläger geltend mache, er sei bereits zu einem Zeitpunkt bei dem Arbeitsamt vorstellig geworden, zu dem der Anspruch noch nicht erloschen gewesen sei, könne dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Es fehle nämlich an einer persönlichen Arbeitslosmeldung als materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung. Hätte der Kläger klar zu erkennen gegeben, dass die Vorsprache der Arbeitslosmeldung diene, wäre dies auch entsprechend dokumentiert worden. Eine andere Entscheidung lasse sich auch nicht im Wege eines sozialrech...