Verfahrensgang
SG Darmstadt (Urteil vom 06.07.1995; Aktenzeichen S-6/An-1014/94) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 6. Juli 1995 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen auch der Berufungsinstanz zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist die Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin, insbesondere die rentensteigernde Berücksichtigung der von ihr für Zeiten der Heiratserstattung nachgezahlten freiwilligen Beiträge.
Aufgrund ihres Antrags vom 7. November 1991 bewilligte die Beklagte der am 11. Mai 1941 geborenen Klägerin eine medizinische Maßnahme zur Rehabilitation, die vom 15. September 1992 bis 3. November 1992 in der O.klinik St. W. durchgeführt wurde. Nach dem Entlassungsbericht dieser Klinik vom 8. Dezember 1992 bestand bei der Klägerin der Verdacht auf eine kombinierte motoneuronische Erkrankung sowie eine Coxarthrose beiderseits. Aufgrund dieser Erkrankungen schätzten die behandelnden Ärzte der Kurklinik das Leistungsvermögen der Klägerin dahingehend ein, daß diese nur noch in einem zeitlichen Umfang von zwei Stunden bis unter halbschichtig Tätigkeiten mit weiteren qualitativen Einschränkungen verrichten könne.
Unmittelbar im Anschluß an die Kur stellte die Klägerin am 13. November 1992 bei der Beklagten den Antrag auf Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen für Zeiten, für die ihr Beiträge wegen Heirat erstattet worden waren. Die Beklagte ließ mit Bescheid vom 12. Januar 1993 die Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen für die Zeit vom 1. Januar 1956 bis 31. März 1964 in Höhe von insgesamt 14.744,10 DM zu. Die Klägerin entrichtete diesen Betrag im Rahmen der ihr gesetzten Zahlungsfrist (Wertstellung bei der Beklagten am 2. Februar 1993).
Auf Antrag der Klägerin vom 8. Februar 1993 bewilligte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 23. Juni 1993 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 4. November 1992 unter Zugrundelegung eines am 15. September 1992, dem Beginn der Rehabilitationsmaßnahme in der O.klinik St. W., eingetretenen Versicherungsfalls. Bei der Berechnung dieser Rente ließ sie die von der Klägerin im Februar 1993 nachgezahlten freiwilligen Beiträge für die Zeiten der Heiratserstattung unberücksichtigt. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch vom 12. Juli 1994 und machte geltend, sie sei während der Rehabilitationsmaßnahme im Oktober 1992 durch einen Berater der Beklagten dahingehend beraten worden, die freiwilligen Beiträge nachzuzahlen und sodann je nach Krankheitsverlauf einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu stellen. Sie habe deshalb den Rentenantrag auch erst im Februar 1993 nach der Nachzahlung der freiwilligen Beiträge gestellt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 1994 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie aus, daß nach § 75 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) freiwillige Beiträge nur dann berücksichtigt werden könnten, wenn sie vor Eintritt der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit gezahlt worden seien. Dies gelte auch für freiwillige Beiträge, die nach Eintritt der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit für Zeiten vorher entrichtet würden. Der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit sei bei der Klägerin im September 1992 eingetreten, so daß die im Februar 1993 nachgezahlten Beiträge bei der Berechnung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht berücksichtigt werden könnten. Es läge auch keine mangelhafte Beratung bzw. Falschberatung vor. Tatsächlich habe seinerzeit zwar der Versichertenälteste Schütz in der Rehabilitationsklinik St. W. Beratungsgespräche durchgeführt, dieser könne sich jedoch an die Klägerin nicht erinnern.
Auf die daraufhin am 4. August 1994 erhobene Klage hat das Sozialgericht Darmstadt die Beklagte mit Urteil vom 6. Juli 1995 unter Abänderung des Rentenbewilligungsbescheides vom 23. Juni 1993 und unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 1994 verurteilt, die Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit der Klägerin unter Berücksichtigung der für die Zeit vom 1. Januar 1956 bis 31. März 1964 nachgezahlten freiwilligen Beiträge zu berechnen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, daß zwar nach § 75 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit Entgeltpunkte nur für freiwillige Beiträge ermittelt würden, die bis zum Eintritt der hierfür maßgeblichen Minderung der Erwerbsfähigkeit gezahlt worden sind. Vorliegend sei dies zwar nicht der Fall, die Berücksichtigung der im Rahmen des § 282 SGB VI nachgezahlten freiwilligen Beiträge bei der Berechnung der Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin sei jedoch nach § 75 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI möglich. Nach dieser Ausnahmeregelung zu der vorgenannten Regelung könnten freiwillige Beiträge, die nach Eintritt der hierfür maßgebenden Minderung...