Leitsatz (amtlich)

Sehen Betriebsvereinbarung und Sozialplan den wegen Betriebseinstellung gekündigten Arbeitnehmern die Gewährung von bezahltem Urlaub bei Bewerbungen vor und bewirbt sich der gekündigte Arbeitnehmer auf Vermittlung des bisherigen Arbeitgebers zwecks vorzeitiger Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses bei einem anderen Arbeitgeber, so steht er auf dem Weg zur Vorstellung und von dort zum alten Arbeitsplatz zurück unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

 

Leitsatz (redaktionell)

Sehen Betriebsvereinbarung und Sozialplan den wegen Betriebseinstellung gekündigten Arbeitnehmern die Gewährung von bezahltem Urlaub bei Bewerbungen vor und bewirbt sich der gekündigte Arbeitnehmer auf Vermittlung des bisherigen Arbeitgebers zwecks vorzeitiger Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses bei einem anderen Arbeitgeber, so steht er auf dem Weg zur Vorstellung und von dort zum alten Arbeitsplatz zurück unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

 

Orientierungssatz

Unfallversicherungsschutz (§ 550 Abs 1 RVO) auf dem Weg von der Arbeitsplatzsuche (nach Kündigung wegen Betriebseinstellung) zurück zum Unternehmen: ...

 

Normenkette

RVO § 589 Abs. 1 Nr. 3, §§ 590, 550 Abs. 1, § 539 Abs. 1 Nr. 4

 

Verfahrensgang

SG Gießen (Urteil vom 11.08.1983; Aktenzeichen S 3/U - 139/82)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.01.1986; Aktenzeichen 2 RU 1/85)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Giessen vom 11. August 1983 und der Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 1982 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ab dem 2. Februar 1982 die Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.

II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreites zu erstatten.

Im Übrigen sind keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Hinterbliebenenrente.

Die Klägerin ist die Witwe des bei einem Verkehrsunfall am 2. Februar 1982 gegen 9.15 Uhr auf der Bundesstraße (B) 455 zwischen … und … tödlich verunglückten Ehemannes E. B. (B.). Der im Jahre 1923 geborene B. war der förmlichen Unfallanzeige der Aktien-Zuckerfabrik … (AZW) vom 3. Februar 1982 sowie deren Mitteilung vom 4. Februar 1982 zufolge und nach dem Inhalt der von der Beklagten beigezogenen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht … (Aktenzeichen: 3 Js …) auf der Rückfahrt von der Firma F. AG in … zur Arbeitsstätte in … im eigenen Personenkraftwagen (Pkw) ohne Fremdverschulden bei Glatteis ins Schleudern geraten und tödlich verunglückt. B. hatte am Unfalltag bei der AZW die Arbeitsschicht nach seinem Eintreffen um 6.29 Uhr um 7.00 Uhr begonnen, diese aber zwecks Vorstellung bei der Firma F. AG wegen der Bewerbung um einen neuen Arbeitsplatz unterbrochen. Die AZW teilte dazu mit, dass wegen Betriebseinstellung allen Arbeitnehmern gekündigt gewesen sei und entsprechend einer Betriebsvereinbarung jedem Mitarbeiter bei voller Lohnfortzahlung Urlaub für Vorstellungsgespräche gewährt werde. Die Firma F. AG habe unter dem 2. Februar 1982 das Vorstellungsgespräch des B. in der Zeit von 7.45 bis 8.50 Uhr bestätigt.

Die Beklagte lehnte hierauf mit dem angefochtenen Bescheid vom 25. Juni 1982 die Gewährung der. Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, da Verrichtungen und Wege, die der Arbeitssuche dienten, in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit im versicherten Unternehmen stünden. B. sei auch nicht aufgrund der Aufforderung des Arbeitsamtes zur Vorstellung gefahren.

Gegen diesen an sie am 25. Juni 1982 abgesandten Bescheid vom gleichen Tage hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Gießen (SG) am 23. Juli 1982 Klage erhoben und geltend gemacht, dass das Vorstellungsgespräch des B. bei der Fa. F. AG dem Interesse der AZW bzw. der dieses Unternehmen übernehmenden Firma S.-AG gedient habe. B. habe sich betriebsvereinbarungs- und sozialplangemäß verhalten und die Bewerbung auf Vermittlung seines Arbeitgebers betrieben. Das SG hat zunächst von der Firma S.-AG den Auszug aus dem rechtsverbindlichen Vertrag zwischen der Süddeutschen … AG und der AZW vom 15. April 1981, die, Betriebsvereinbarung zwischen der AZW und dem Betriebsrat vom 1. Juli 1981 nebst Merkblatt über Sozialplan und andere Leistungen sowie die Aktennotiz zur Betriebsvereinbarung vom 1. Juli 1981 über den Interessenausgleich und Sozialplan vom 17. Juli 1981 nebst Hinweis auf die persönliche Vorstellung bei einer Bewerbung um einen Arbeitsplatz vom 19. August 1981 sowie die Vereinbarung zwischen der AZW, deren Betriebsrat und der Süddeutschen …-AG vom 7. Dezember 1981 beigezogen. Auf ihren Inhalt wird verwiesen. Sodann hat es aus den Gründen des angefochtenen Bescheides die Klage ohne Ausspruch über die Zulassung der Berufung mit Urteil vom 11. August 1983 abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen.

Gegen dieses ihr am 1. September 1983 zugestellte U...

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