Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Beratungspflicht. Ruhen wegen Abfindung und Sperrzeit. Minderung der Anspruchsdauer. Übergangsrecht

 

Orientierungssatz

1. Die Bundesanstalt für Arbeit ist nicht verpflichtet, einen Antragsteller zu beraten, seinen Antrag auf Arbeitslosengeld erst zu einem späteren Zeitpunkt (6.4.1999) zu stellen, wenn bei der Antragstellung (29.12.1998) nicht ohne weiteres zu erkennen war, ob die Anwendung des alten Rechts (§ 117a AFG) nach der Übergangsregelung des § 427 Abs 6 SGB 3 für den Antragsteller mehr Nachteile als Vorteile erbringen würde. Dies gilt insbesondere, wenn der Antragsteller den Eintritt einer Sperrzeit verneint und diese Ansicht weiterhin mit Nachdruck vertritt.

2. Eine Beratungspflicht der Bundesanstalt für Arbeit (BA) besteht auch dann nicht, wenn eine Gesetzesänderung absehbar war, das Gesetz aber erst nach Bekanntgabe des Bescheides der BA verabschiedet wurde.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 02.09.2004; Aktenzeichen B 7 AL 18/04 R)

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Feststellung einer Sperrzeit von 12 Wochen sowie die Feststellung des Ruhens ihres Anspruches auf Arbeitslosengeld nach § 117 a des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) und gegen die mit diesen Feststellungen verbundenen Minderungen der Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld (Alg).

Die im Jahre 1952 geborene Klägerin meldete sich am 29. Dezember 1998 zum 1. Januar 1999 arbeitslos. Sie war seit August 1967 bei der D Bank AG als Bankangestellte in verschiedenen Filialen tätig, zuletzt in L im Bereich "Organisation und Logistik". Im Rahmen von geplanten Umstrukturierungsmaßnahmen, die zu einer Verlagerung eines Teils der Arbeit der Klägerin nach St führten und teils eine Auslagerung an Fremdfirmen zur Folge hatten, schloss die Klägerin, die nicht über eine Ausbildung zur Bankkauffrau verfügt, unter dem Datum des 19. März 1998 mit der Arbeitgeberin eine Vereinbarung, wonach das Angestelltenverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 31. Dezember 1998 beendet wurde. Neben dem restlichen vertraglichen Monatsgehalt wurde ihr auch bis zu ihrem Ausscheiden die freiwillige Abschlussvergütung in Höhe von 1 ½ Monatsgehältern für jedes volle Geschäftsjahr der Tätigkeit gemäß Rahmeninteressenausgleich vom 28. Dezember 1994 gewährt. Als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes und zum Ausgleich entstandener und der damit in Zukunft verbundenen beruflichen und finanziellen Nachteile wurde ihr eine Abfindung in Höhe eines Einmalbetrages von 194.000 DM brutto bewilligt. Die Ziffer 4 der Vereinbarung enthält den Hinweis, dass die Klägerin über die möglichen Folgen einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Bezug von Arbeitslosengeld hingewiesen und aufgefordert worden sei, sich über nähere Einzelheiten bei dem für sie zuständigen Arbeitsamt zu informieren.

Bereits im September 1998 sprach die Klägerin erstmals beim Arbeitsamt vor, erkundigte sich indes ausschließlich über die Möglichkeiten der Förderung einer beruflichen Umschulung.

Mit Bescheid vom 4. März 1999 stellte die Beklagte den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit vom 1. Januar 1999 bis zum 25. März 1999 sowie eine Minderung der Anspruchsdauer von 167 Tagen fest. Mit weiterem Bescheid vom 8. März 1999 stellte sie ein weiteres Ruhen bei Abfindung und Sperrzeit für die Zeit vom 26. März 1999 bis zum 7. Dezember 1999 mit einer Minderung der Anspruchsdauer um 257 Tage fest. Beiden Bescheiden widersprach die Klägerin am 15. März 1999 und führte zur Begründung aus, dass ihr Arbeitsplatz weggefallen sei. Eine Verlegung ihres Arbeitsplatzes nach St sei unzumutbar, da sie ihre betagten Eltern versorgen müsse. Im Übrigen wäre ihr betriebsbedingt zum gleichen Zeitpunkt gekündigt worden.

Die Arbeitgeberin teilte demgegenüber mit, dass vor Abschluss des Aufhebungsvertrages eine umfangreiche Beratung der Klägerin erfolgt sei. Der Betriebsrat hätte der Kündigung nicht zugestimmt. Es sei jedoch darauf hinzuweisen, dass im Jahre 1998 im Rahmen der Sozialauswahl die berufliche Qualifikation höher bewertet worden wäre als eine langjährige Betriebszugehörigkeit.

Die Klägerin nahm vom 7. Juni 1999 bis zum 2. Juni 2000 an einer Fördermaßnahme zur beruflichen Weiterbildung als "Sachbearbeiterin Rechnungswesen SAP R/3 CDI" teil und bezog Unterhaltsgeld von der Beklagten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. August 1999 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Mit dem Aufhebungsvertrag vom 19. März 1998 hätten sich die Klägerin und ihre ehemalige Arbeitgeberin in beiderseitigem Einvernehmen geeinigt, dass das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1998 beendet werde. Damit habe die Klägerin die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und den Eintritt der Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Es sei ihr zumutbar gewesen, eine keineswegs sichere Kündigung der Arbeitgeberin abzuwarten. Der Klägerin sei zudem durch Gespräche mit dem Vors...

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