Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Notfallbegriff des § 76 Abs 1 S 2 SGB 5. Systemversagen. geplanter Krankenhausaufenthalt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Notfallbegriff des § 76 Abs 1 S 2 SGB 5 umfasst neben den medizinischen Begriffsmerkmalen auch systembezogene Merkmale, durch die sichergestellt wird, dass nur Fälle des Systemversagens vergütungsfähig sind.

2. Zu den maßgeblichen Indizien für ein Systemversagen bzw für einen geplanten Krankenhausaufenthalt.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 25. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Zahlung einer Krankenhausbehandlungsvergütung für die Behandlung der bei der Beklagten versicherten C. im Zeitraum vom 20. August 2000 bis 6. September 2000.

Die Klägerin betrieb eine onkologische Fachklinik in O.. Das Regierungspräsidium O Stadt erteilte ihr am 23. März 1999 eine Gewerbeerlaubnis zum Betrieb einer Privatkrankenanstalt. Ein Versorgungsvertrag oder eine sonstige Zulassung zur Krankenhausbehandlung im System der Gesetzlichen Krankenversicherung bestanden nicht. Hinsichtlich des von der Klägerin erfolglos betriebenen Rechtsstreits um den Abschluss eines Versorgungsvertrages wird auf die Urteile des Senats vom 17. Dezember 2007 - L 1 KR 62/04 - und des Bundessozialgerichts vom 28. Juli 2008 - B 1 KR 5/08 R - verwiesen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin wurde mangels Masse abgelehnt (Beschluss des Amtsgerichts GF. vom 23. Januar 2002 - xxx). Rechtsmittel hiergegen blieben erfolglos. Die Auflösung der Klägerin wurde mit Datum vom 16. Juni 2003 ins Handelsregister eingetragen (Handelsregisterauszug des Amtsgerichts GF. Nr. xxx). Die Klägerin befindet sich seitdem im Stadium der Liquidation.

Die Versicherte wohnte in B. Sie befand sich wegen Morbus Hodgkin in onkologischer Behandlung. Auch vor dem streitgegenständlichen Aufenthalt wurde sie bereits in der Klinik der Klägerin behandelt. Die Versicherte wurde am 20. August 2000 erneut in die Klinik der Klägerin stationär aufgenommen. Mit ihr schloss die Klägerin nach eigenen Angaben einen Krankenhausaufnahmevertrag. In der Anamnese in der Patientenakte der Klägerin finden sich folgende Angaben: “War zwei Wochen zu Hause, 1[.] Woche war erschöpft, 2[.] Woche ging ihr besser, kann schlecht laufen„. Der Zustand im Vergleich zum letzten Aufenthalt sei unverändert. Ausweislich des Untersuchungsbefundes wurden eine Kraftminderung des rechten Armes, geschwächtes Atemgeräusch, regelmäßige Herzaktion, weiche Abdomendecke mit unauffälligem Befund der Organe festgestellt. Beschrieben werden weitere Befunde im Bereich des rechten Lungenflügels, insoweit wird auf die Dokumentation der Wiederaufnahmeuntersuchung verwiesen. Als weiteres Procedere wurde u.a. eine Chemotherapie vermerkt. In der Therapiedokumentation sind an den ersten beiden Tagen lediglich die Verabreichung eines Vitaminpräparats sowie die Legung eines Ports vermerkt. Im Laborberichtsteil sind unter dem 21. August 2000 eine Reihe von Befunden abgeheftet. Im weiteren Verlauf des Klinikaufenthalts trat die respiratorische Insuffizienz in den Vordergrund, die schließlich für den Tod der Versicherten 2000 mitursächlich war. Hinsichtlich der Behandlung im Einzelnen wird auf die beigezogene Patientenakte der Klägerin verwiesen.

Eine Notfallaufnahmemitteilung an die Beklagte erfolgte ausweislich der Patientenakte unter dem Datum des 21. August 2000. Mit Rechnung vom 6. September 2000 forderte die Klägerin 7.650,-- DM. Eine Zahlung seitens der Beklagten erfolgte nicht.

Die Klägerin hat mit Mahnbescheidsantrag vom 24. Dezember 2003 zunächst eine Gesamtforderung von 24.094,59 € bezüglich diverser bei der Beklagten versicherter Patienten für Behandlungen aus den Jahren 2001 und 2002 geltend gemacht. Auf den Widerspruch gegen den am 21. Januar 2004 erlassenen Mahnbescheid des Amtsgerichts DH. hin ist die Sache an das Landgericht LW. abgegeben worden. Mit Beschluss vom 8. April 2004 hat sich das Landgericht LW. für örtlich und sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Gießen verwiesen (S 9 KR 96/04). In der am 18. Juni 2004 eingegangenen Klagebegründung hat die Klägerin die Klageforderung mit 21.233,09 € beziffert und auf Behandlungen in den Jahren 1999 bis 2002 gestützt. Der Rechtsstreit bezüglich der Versicherten C. ist mit Beschluss vom 4. August 2004 getrennt und unter dem Aktenzeichen S 9 KR 359/04 fortgeführt worden.Die Klägerin hat vorgetragen, dass die Aufnahme der Patientin notfallmäßig wegen ausgeprägter körperlicher Schwäche bei fortgeschrittenem Tumorbefall erfolgt sei. Die Versicherte habe an erheblicher Atemnot gelitten. Es habe ein teilweiser Tumorbefall der Lunge vorgelegen. Festgestellt worden sei eine beginnende Querschnittslähmung bei Tumorkompression des Rückenmarks. Während des stationären Aufenthalts hätten sich a...

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