Entscheidungsstichwort (Thema)
Schulunfall. Skifreizeit. Schleppliftunfall. Nothilfe. Rettungshandlung. versicherter Personenkreis
Leitsatz (amtlich)
1. Ermöglicht ein Lehrer einer Schule einem interessierten Personenkreis von Schülern einer Schule in der schulfreien Zeit (Osterferien) eine Skifreizeit im Ausland, an der auch andere Personen teilnehmen können und in der kein Schulunterricht abgehalten werden soll, so handelt es sich um eine private Skireise. Die daran teilnehmenden Schüler sind auf einer solchen Skifreizeit flicht gegen Arbeitsunfall versichert.
2. Ein Schleppliftbenutzer, der beim Aufzug aus dem Skischlepplift fällt und dadurch, daß er die Liftspur im Bewußtsein und in der Absicht sofort frei macht, nachfolgende Benutzer vor erheblicher gegenwärtiger Gefahr für Körper oder Gesundheit zu retten, deswegen aber selbst einen Körperschaden erleidet, gehört zum gegen Arbeitsunfall versicherten Personenkreis nach § 539 Abs. 1 Nr. 9 Buchst. a RVO. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich bei der Rettungshandlung und der anschließenden eigenen Körperverletzung um einen einheitlichen Vorgang handelt.
Normenkette
RVO § 539 Abs. 1 Nr. 9 Buchtst. a, Nr. 14 Buchtst. b, § 548
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 02.11.1977; Aktenzeichen S 4/U - 218/76) |
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 2. November 1977 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Im übrigen sind keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Entschädigung eines Skiunfalls der Klägerin als versicherten Arbeitsunfall.
Die im Jahre 1958 geborene Klägerin unternahm mit Schülern ihrer Schule, der A. schule in K., in den Osterferien 1976 eine 16-tägige Fahrt auf die A.-Alm bei M. Alm, H., Österreich, zum Skilaufen. Teilnehmer dieser Reise waren außerdem noch einige Studenten, Oberstufenschüler aus B. V. und die Sportlehrerin G. S. L.. Zu dieser Fahrt war von dem Oberstudienrat der A. schule F. R. mit einem im Januar 1976 in der Schule unter Interessenten verteilten und an einer Ankündigungstafel für Clubs und andere Interessengruppen ausgehängten Aufruf geworben worden, der folgenden Wortlaut hatte:
“Liebe Skifreunde!
Für Ostern 1976 haben wir etwas Besonderes geplant: eine Skifreizeit auf der A. (1500 m hoch) mitten im Skigebiet des A. (bei M. Alm, H., Nähe Z./S.). Da es sich hier um ein nordseitiges Skigebiet mit bekannter Schneesicherheit handelt (1000-2100 m), hoffen wir, auch zu dieser späten Jahreszeit noch gut Skilaufen zu können. Das Gelände ist für leicht fortgeschrittene bis sehr gute Skiläufer geeignet, die Auffahrt zum Berggasthaus A. erfolgt gleich mit dem Lift (Sessel- und Schlepplift).
Voraussetzung für die Teilnahme ist vor allem die Bereitschaft, in einer Gruppe von Gleichaltrigen (es fahren auch Oberstufenschüler aus B. V. mit) eine harmonische Ferienzeit mit viel Spaß aber ohne großen Komfort verbringen zu wollen. Die Gestaltung des Tagesablaufs ist völlig in unserer Hand, die Wirtsleute sind der Jugend gegenüber sehr aufgeschlossen.
4.-20.4.
Die Kosten der 16-tägigen Fahrt betragen für Vollpension, Fahrt und Skikurs DM 425,- und sind zu entrichten an die Volksbank K. (F. V., Zweigstelle K.). Fahrtenkonto R. Konto-Nr. …, Kennwort …, bis möglichst sofort. Für weitere Auskunft stehe ich am Samstag, dem 31.1. um 11.30 in Raum I der AKS zur Verfügung.
Ski Heil!
gez. R.
hier abtrennen
Meine Tochter (Mein Sohn) … Klasse … nimmt an der Skifreizeit auf der A.alm teil.
…
(Unterschrift)”
Am 14. April 1976 stürzte die Klägerin bei der Auffahrt mit einem Schlepplift aus der Spur. Sie rutschte den Skihang hinunter und schlug gegen den linken Gittermast bergwärts der 3. Torbogenstütze des Schlepplifts der Sektion IV der A.-Bahn M. A., wobei sie sich eine Querschnittslähmung zuzog. Am 21. Mai 1976 teilte die Bundespostbetriebskrankenkasse, Bezirksverwaltung F., dem Beklagten mit, dass es sich bei der Skifreizeit um eine Ferienfahrt auf privater Ebene gehandelt habe. In einem Schreiben vom 8. Juni 1976 äußerte sich der Oberstudiendirektor der A. schule B. gegenüber dem Beklagten dahin, dass die von dem Oberstudienrat R. veranstaltete Skifreizeit keine schulische Veranstaltung gewesen sei. Es habe weder durch die Schulleitung noch durch den Regierungspräsidenten eine Genehmigung vorgelegen. Er habe aber keine Bedenken, sie als eine Schulveranstaltung gelten zu lassen.
Mit Bescheid vom 25. Juni 1976 lehnte der Beklagte die Gewährung einer Entschädigung ab, da es sich nicht um einen versicherten Schulunfall, sondern um eine private Urlaubsreise der Klägerin nach Österreich gehandelt habe, an der nicht nur Schüler und Schülerinnen ihrer Schule teilgenommen hätten. An Stelle des Oberstudienrates R. hätte ebenso ein anderer Reiseveranstalter die Durchführung der Fahrt übernehmen können.
Gegen diesen an sie am gleichen Tage mit Einschreiben abgesa...