rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsanspruch. Familienkrankenhilfe. Kassenzuständigkeit. Inanspruchnahme einer Krankenkasse
Leitsatz (amtlich)
1. Sind bei der Erkrankung von Neugeborenen mehrere Krankenkassen verpflichtet, im Wege der Familienhilfe Krankenpflege zu gewähren, so kann eine Inanspruchnahme i.S.d. § 205 Abs. 4 S. 2 RVO a.F. nicht nur bei Eintritt des Versicherungsfalls und Beginn der Sachleistung sondern bis zur Beendigung der Sachleistung, wirksam erfolgen. Nur wenn bis zu diesem Zeitpunkt keine der in Betracht kommenden Kassen in Anspruch genommen worden ist, ist im Wege der Lückenausfüllung immer von der Leistungspflicht der schon die Entbindungsanstaltspflege gewährenden Krankenkasse der Mutter auszugehen (im Anschluß an BSG 1976-05-18 3 RK 68/74 und 3 RK 11/75 und 1979-06-29 – 8b/3 RK 30/78).
2. Eine stillschweigende Inanspruchnahme der die Entbindungsanstaltspflege gewährenden Krankenkasse kann jedenfalls dann nicht angenommen werden, wenn bis zum Ende der Krankenhauspflege des Neugeborenen ausdrücklich entgegenstehende Erklärungen abgegeben werden.
3. Die noch während der Krankenhauspflege erfolgte Inanspruchnahme der anderen Krankenkasse kann nach dem Sinn und Zweck des § 205 Abs. 4 S. 2 RVO a.F. grundsätzlich nachträglich nicht mehr zurückgenommen oder durch Anfechtung beseitigt werden.
4. Die Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs gegenüber der in Anspruch genommenen Krankenkasse durch die für die Entbindungspflege zuständige Krankenkasse verstößt nicht schon deshalb gegen Treu und Glauben, weil diese Kasse nach Kenntnis von der Geburt eines Kindes ihre weiblichen Versicherten durch Anschreiben mit beigefügtem Erklärungsvordruck auf die nach § 205 Abs. 4 S. 2 RVO a.F. bestehende Möglichkeit hinweist, entweder die Krankenkasse der Mutter oder des Vaters zu wählen.
Normenkette
RVO § 205 Abs. 4 S. 2 (Fassung: 1930-07-26)
Verfahrensgang
SG Marburg (Urteil vom 22.04.1982; Aktenzeichen S - 6/Kr - 17/81) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 22. April 1982 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 16. März 1981 bis 9. April 1981 Krankenhauspflegekosten in Höhe von 6.261,98 DM zu erstatten.
II. Die Beklagte hat den Beigeladenen zu 1.) und 2.) die außgerichtlichen Kosten zu erstatten; im übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die klagende Innungskrankenkasse verlangt von der beklagten Betriebskrankenkasse die Erstattung von Krankenhauspflegekosten für die Zeit vom 18. März 1981 bis 9. April 1981 in Höhe von 6.261,98 DM. Die Kosten wurden aufgewendet für das Kind Christian (C.) der bei der Klägerin pflichtversicherten Beigeladenen zu 2.) und des bei der Beklagten pflichtversicherten Beigeladenen zu 1.). C. wurde am 16. März 1981 in der Universitäts-Frauenklinik Marburg geboren, wo seine Mutter, die Beigeladene zu 2.), von der Klägerin Entbindungsanstaltspflege erhielt. Am 18. März 1981 wurde er zur Behandlung einer Hauterkrankung in die Universitäts-Kinderklinik Marburg verlegt und dort bis zum 9. April 1981 behandelt. In der Aufnahmemitteilung der Kinderklinik war die Klägerin als Kostenträgerin angegeben. Mit am 27. März 1981 bei der Klägerin eingegangenen Schreiben vom 26. März 1981 beantragte die Klinikverwaltung dementsprechend bei der Klägerin die Übernahme der Kosten.
Noch während der stationären Behandlung des C. in der Kinderklinik – am 26. März 1981 – richtete die Klägerin an die Beigeladene zu 2.) folgendes Schreiben:
Zur Geburt Ihres Kindes sprechen wir Ihnen unseren herzlichen Glückwunsch aus.
Uns stellt sich jetzt die Frage, welche Krankenkasse für Ihr Kind die Leistungen der Familienkrankenhilfe erbringen soll. Nach den gesetzlichen Vorschriften kann ein Familienkrankenhilfeanspruch gegen mehrere Krankenkassen gleichzeitig begründet sein, Die Leistung darf jedoch nur einmal gewährt werden.
Wir weisen deshalb darauf hin, daß Ihnen für den Fall, daß Ihr Ehemann ebenfalls bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert ist, ein Wahlrecht zwischen Ihrer und der Krankenkasse Ihres Ehemannes zusteht. Die Ausübung des Wahlrechts bei mehrfachem Anspruch auf Familienkrankenhilfe ist bei jedem neuen Leistungsfall erneut zulässig und möglich.
Unter der Voraussetzung, daß Ihr Kind nach der Entbindung aufgrund einer Krankheit sofort selbst ärztlich oder stationär behandelt werden muß, bitten wir Sie, sich frei zu entscheiden, welche Krankenkasse in diesem Versicherungsfall Leistungen gewähren soll. Gleichzeitig bitten wir Sie, die umseitige Erklärung auszufüllen, gemeinsam mit Ihrem Ehemann zu unterschreiben und unverzüglich an uns zurückzusenden.
Die angesprochene Erklärung enthielt unter der Nr. 1 die Frage nach der Krankenkasse des Ehemannes. Unter Nr. 2 war durch Ankreuzen des entsprechenden Kästchens zu beantworten, ob Leistungen der Familienkrankenhilfe für den nach der Entbindung eingetretenen Versicherungsfall von der Kranken...