Leitsatz (amtlich)
Ein Copilot, der während einer 2-tägigen Ruhezeit in Indien vom 3 m-Brett in das Schwimmbecken seines Hotels springt, ist dabei nicht unter dem Gesichtspunkt des Fithaltens gegen Unfall versichert.
Normenkette
RVO § 548
Verfahrensgang
SG Darmstadt (Urteil vom 26.04.1973) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 26. April 1973 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der … 1942 geborene Kläger war seit 1968 bei der … als Copilot tätig. Auf dem Rückflug von Bangkok kam er zu einem Zwischenaufenthalt am Morgen des 12. August 1972 in Neu Delhi an. Von dort sollte am 14. August 1972 abends der weitere Rückflug angetreten werden. In der Zwischenzeit nahm der Kläger im Hotel …, dem Vertragshotel der … in Neu Delhi, Station. Nach seiner Ankunft ruhte er sich ohne weitere dienstliche Verpflichtungen aus. Am 13. August 1972 zog er sich Schädelbrüche und eine Querschnittlähmung zu, als er von einem 3 m hohen Sprungturm in das hoteleigene Schwimmbecken sprang und auf dem Boden aufschlug. Der Kläger, der bereits früher mehrfach diesen Sprungturm benutzt hatte, war am Unfalltag schon einmal gesprungen und auch hin und her geschwommen.
Auf die Unfallanzeige der … vom 16. August 1972 teilte die Beklagte mit formlosen Schreiben vom 31. August 1972, das keine Rechtsmittelbelehrung enthielt, mit, daß dieses Ereignis nicht als Arbeitsunfall anerkannt werden könne, da das Schwimmen und Springen vom 3-Meterturm eines hoteleigenen Schwimmbeckens außerhalb der Dienstzeit dem privaten Lebensbereich zuzuordnen seien.
Nachdem hierauf der Kläger mit am 29. September 1972 eingegangenen Schreiben bei der Beklagten Widerspruch eingelegt und diese ihm am 12. Oktober 1972 mitgeteilt hatte, daß sie das Widerspruchsschreiben als Klage gegen ihren Verwaltungsakt vom 31. August 1972 ansehe, hat der Kläger am 24. November 1972 bei dem Sozialgericht Darmstadt – SG Klage erhoben und geltend gemacht: Das Geschehen sei als Arbeitsunfall anzuerkennen, da er sich auf einer Dienstreise im Ausland aufgehalten habe und nach dem Tarifvertrag verpflichtet gewesen sei, sich im Hinblick auf seine hohe Verantwortlichkeit als Copilot auch während der Ruhezeit in Neu Delhi zu erholen und körperlich zu kräftigen. Im übrigen sei ihm die besondere Gefährlichkeit des Sprungturmes nicht bekannt gewesen.
Das Sozialgericht hat über den Zustand des Schwimmbeckens, die Dienstzeiten und die Anweisungen für die Piloten während der Ruhezeiten im Ausland die Auskunft der … vom 12. Januar 1973 eingeholt. Hiernach bestanden keine Anweisungen oder Empfehlungen, Schwimmen als Ausgleichssport in den Ruhezeiten zu betreiben oder wegen einer etwaigen Gefährlichkeit zu unterlassen; die Piloten brauchten sich im Vertragshotel auch nicht einsatzbereit zu halten, sondern hatten lediglich den Kapitän jeweils über ihren Aufenthalt in der Ruhezeit zu informieren. Das Sprungbett ist nach dem Unfall des Klägers entfernt worden. Es werde vermutet, daß es unsachgemäss installiert gewesen sei.
Das SG hat am 26. April 1973 die Beklagte verurteilt, dem Kläger aus Anlaß des Unfalls vom 13. August 1972 die gesetzliche Entschädigung zu gewähren, da es sich bei dem Schwimmen und Springen während der Ruhezeit um eine dem … Betrieb dienliche Betätigung gehandelt habe; es sei in Anbetracht der zum Unfallzeitpunkt bestandenen großen Hitze in Neu Delhi sinnvoll gewesen, sich in dieser Weise körperlich fit zu halten.
Gegen das ihr am 7. Mai 1973 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30. Mai 1973 Berufung eingelegt. Sie wiederholt ihren im Schreiben vom 31. August 1972 eingenommenen Standpunkt und vertritt die Auffassung, daß ein Sprung von einem 3 m-Brett nicht mehr in einem wesentlich ursächlichen Zusammenhang mit dem betriebsbedingten Erfrischungsbedürfnis und damit mit einer betrieblichen Tätigkeit selbst stehe; das Springen von einem solchen Sprungturm überschreite weit eine betriebliche zur Erfrischung notwendige und angemessene Betätigung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 26. April 1973 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Unfall- und Streitakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist auch begründet. Das auf die zulässige Klage ergangene sozialgerichtliche Urteil konnte keinen Bestand haben, weil der formlos ergangene Verwaltungsakt vom 31. August 1972 im Ergebnis zutreffend ist.
Zwar hätte es einer förmlichen Feststellung durch den Rentenausschuß gem. § 1569 a Abs. 1 Nr. 1 Reichsversicherungsordnung – RVO – bedurft, weil die Beklagte über die Gewährung von Rente nicht nur für die Vergangenheit entschieden hat. Wenn auch ...