Entscheidungsstichwort (Thema)
Erweiterte Honorarverteilung. Kassenärztliche Vereinigung Hessen
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Erweiterten Honorarverteilung handelt es sich um eine Invaliditäts- und Alterssicherung für selbständige Ärzte, die aber – im Gegensatz zur gesetzlichen Rentenversicherung – nur als Zusatzversicherung angelegt ist.
2. Wirtschaftliche Schwierigkeiten eines Kassenarztes, die zur Aufgabe der Kassenpraxis führen, sind einer Berufsunfähigkeit des Kassenarztes i.S. von § 2 der Erweiterten Honorarverteilung nicht gleichzusetzen.
3. Das Risiko wirtschaftlicher Schwierigkeiten – z.B. durch Beteiligung eines Chefarztes eines Kreiskrankenhauses – trägt allein der Kassenarzt.
Normenkette
Reichsversicherungsordnung § 368f Abs. 1
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 19.08.1981; Aktenzeichen S-5/Ka-85/80) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 19. August 1981 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe des der Klägerin zustehenden Anspruchssatzes aus der erweiterten Honorarverteilung (EHV).
Die 1922 geborene Klägerin war seit 1966 in S. als Röntgenfachärztin niedergelassen. Ab 1970 wurde der am Krankenhaus B. S. tätige Radiologe Dr. K. an der kassenärztlichen und vertragsärztlichen Versorgung auf Überweisung durch in B. S. niedergelassene Ärzte beteiligt. Die Klägerin hatte danach in einer Besprechung unter den Beteiligten vom 1. April 1970 Bedenken gegen diese Zulassung erhoben, da sie damit eine Gefährdung ihrer Existenzgrundlage sah.
Die Klägerin kündigte mit Schreiben vom 11. Dezember 1978 an, daß sie ab 1. April 1979 ihre Kassenpraxis aufgeben und ihre Kassenzulassung zu diesem Zeitpunkt kündigen werde. Die Beklagte wies sie mit Schreiben vom 11. Januar 1979 darauf hin, daß diese Absicht Konsequenzen für ihre spätere Altersversorgung nach der EHV haben würde, und zwar in Form des nach § 5 der EHV zu berechnenden Anspruchssatzes. Die Konsequenz ergebe sich daraus, daß die Klägerin freiwillig ihre Kassenzulassung kündigen würde. Die Klägerin machte in dem folgenden Schriftverkehr deutlich, daß sie keinesfalls freiwillig, sondern unter dem Druck der durch die Beteiligung von Dr. K. entstandenen Honorarentwicklung die Kassenpraxis aufgebe.
Mit Bescheid vom 6. Dezember 1979 errechnete die Beklagte den geänderten Anspruchssatz, der sich aus der Aufgabe der Kassenpraxis zum 1. April 1979 ergeben würde, mit 14,9000 %. Die EHV-Bezüge würden sich auf rund 4.800,– DM vierteljährlich belaufen. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 30. Dezember 1979 Widerspruch, wobei sie darauf hinwies, daß die neue Anspruchssatzberechnung der Beklagten auf der Grundlage des § 5 EHV schon deshalb irrig sei, weil die Aufgabe der Praxis unfreiwillig, durch wirtschaftlichen Zwang, geschehen sei. Letztlich sei die Beklagte auch für diese Lage der Klägerin verantwortlich. Sie habe nämlich die Beteiligung von Dr. K. zugelassen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. August 1980 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es sei in den Grundsätzen der EHV nicht vorgesehen, daß bei einem Verzicht auf die Zulassung aus Gründen der wirtschaftlichen Entwicklung die gleichen Anspruchsvoraussetzungen anwendbar seien wie bei Ärzten, die ihre Kassenpraxis bis zum Erreichen der Altersgrenze ausübten.
Gegen den am 3. September 1980 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin durch ihren Prozeßbevollmächtigten am 1. Oktober 1980 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt erhoben. Mit der Klage hat sie das Ziel verfolgt, einen Anspruchssatz von 17,3581 % (vierteljährlich bedeutet dies etwa 5.500,– DM) zu erreichen. Eine Anwendung der Grundsätze des § 5 bei unfreiwilligem Verzicht auf die Kassenzulassung hat die Klägerin als einen Verstoß gegen Artikel 3, Artikel 14 und Artikel 12 des Grundgesetzes gewertet.
Mit Urteil vom 19. August 1981 hat das Sozialgericht Frankfurt die Klage abgewiesen. Das Sozialgericht hat den Verzicht auf die Zulassung als freiwillige Aufgabe der Kassenpraxis gewertet, weil die EHV nur einen solchen oder einen Verzicht wegen Erreichung der Altersgrenze oder wegen Berufsunfähigkeit vorsehe. Das Risiko einer wirtschaftlichen Entwicklung trage die Klägerin als Freiberuflerin. Die Zulassungsinstanzen selbst hätten die Grundsätze der EHV bei der Beteiligung nicht zu berücksichtigen. Zudem sei die EHV nur eine Basisversorgung für die Fälle des Alters, der Berufsunfähigkeit oder des Todes. Im Zeitpunkt des Verzichts habe noch kein Versorgungsfall vorgelegen, die Mindestsatzregelung des § 3 Abs. 2 EHV sei somit nicht anwendbar. Diese Regelung sei auch sinnvoll, weil damit nur die Kassenärzte an der EHV beteiligt werden sollten, die mit zur Finanzierung dieser beitragen, indem sie bis zum Eintritt des Versorgungsfalles aktiv blieben. Verfassungsrechtliche Bedenken hat das Sozialgericht Fran...