Verfahrensgang

SG Gießen (Urteil vom 26.08.1997; Aktenzeichen S-8/Eg-1729/96)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 26. August 1997 aufgehoben. Unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Juli 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 1996 wird das beklagte Land verurteilt, der Klägerin für die Erziehung und Betreuung ihres Kindes F. in dessen ersten sechs Lebensmonaten ein monatliches Erziehungsgeld von 600,00 DM zu gewähren.

II. Das beklagte Land hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin in den ersten sechs Lebensmonaten ihres Kindes F. Erziehungsgeld zusteht.

Die Klägerin ist mit Herrn D. S. verheiratet. Aus dieser Ehe ist das am 26. Mai 1996 geborene Kind F. hervorgegangen. F. wird von der Klägerin seit seiner Geburt erzogen und betreut. Der am 9. Dezember 1987 geborene Sohn P. der Eheleute S. lebt ebenfalls in deren gemeinsamen Haushalt. P. ist vom Versorgungsamt Gießen ein Grad der Behinderung von 80 zuerkannt. Im streitbefangenen Zeitraum war die Klägerin nicht berufstätig.

Der Ehemann der Klägerin ist seit 1991 bei Firma S. AG, Zweigniederlasung F. beschäftigt. Er ist am Vertriebserfolg bestimmter Produkte der Firma S. AG beteiligt. Die hierfür maßgeblichen Beteiligungsbedingungen erfuhren mit Wirkung zum 1. Oktober 1996 insbesondere hinsichtlich des Provisionsschlüssels eine Änderung. Der geänderte Provisionsschlüssel sah u.a. im Falle von Preisnachlässen, die Kunden eingeräumt wurden, eine geringere Provision vor als bei den zuvor maßgeblichen Regelungen.

1994 erzielte der Ehemann der Klägerin nach Maßgabe des die Eheleute S. betreffenden Einkommensteuerbescheides des Finanzamtes Alsfeld vom 18. Juli 1995 an positiven Einkünften einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 154.114,– DM, bei angefallenen Werbungskosten in Höhe von 20.896,– DM. Der Einkommensteuerbescheid für 1995 vom 17. Juli 1997 weist an positiven Einkünften einen Bruttoarbeitslohn von 157.579,– DM und Werbungskosten in Höhe von 16.174,– DM aus. Für 1996 (Einkommensteuerbescheid vom 4.5.1998) ist an positiven Einkünften ein Bruttoarbeitslohn von 182.059,– DM festgestellt; gleichzeitig sind Werbungskosten in Höhe von 14.600,– DM ausgewiesen.

Unter Vorlage des Einkommensteuerbescheides von 1994 sowie einer Verdienstbescheinigung der Fa. S. AG vom 17. Juni 1996 beantragte die Klägerin am 28. Juni 1996 die Gewährung von Erziehungsgeld. Die vorgelegte Verdienstbescheinigung der Fa. S. AG bezog sich auf das in der Zeit von Januar bis Mai 1996 erzielte Bruttoarbeitsentgelt sowie auf weitere Sonderzuwendungen. In der Verdienstbescheinigung wurde gleichzeitig darauf hingewiesen, die Beteiligung sei umsatzabhängig und könne somit nicht hochgerechnet werden. In einem Begleitschreiben zum Antrag vom 28. Juni 1996 wies der Ehemann der Klägerin darauf hin, sein Grundgehalt betrage monatlich 5.655,50 DM. Der größte Teil seines Einkommens sei jedoch erfolgsabhängig, so daß eine Hochrechnung seines Einkommens nicht möglich sei.

Durch Bescheid vom 17. Juli 1996 lehnte das beklagte Land die Gewährung von Erziehungsgeld für die ersten sechs Lebensmonate von F. mit der Begründung ab, das anzurechnende Einkommen übersteige die Einkommensgrenze des § 5 Abs. 2 Satz 1 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) von 100.000,– DM, so daß der Klägerin kein Erziehungsgeld zustehe. Das beklagte Land ging dabei von einem für 1996 hochgerechneten Bruttoarbeitsentgelt von 188.450,85 DM aus, berücksichtigte die Werbungskosten aus dem Einkommensteuerbescheid für 1994, den Behindertenpauschbetrag von 7.200,– DM sowie die pauschalen Absetzungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BErzGG und den Kinderfreibetrag nach § 5 Abs. 2 Satz 3 BErzGG. Es errechnete daraus einen die Einkommensgrenze übersteigenden Betrag von 10.915,04 DM.

Unter Vorlage einer neuen Verdienstbescheinigung der Fa. S. AG vom 24. Juli 1996, die nunmehr auch die Gehälter für Juni und Juli 1996 enthielt, verbunden mit dem erneuten Hinweis darauf, daß sich die umsatzabhängige Beteiligung nicht hochrechnen lasse, legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie trug vor, unter Einbeziehung des Bruttoeinkommens für den Monat Juni 1996 müßte nach Maßgabe der von dem beklagten Land angewandten Berechnungsgrundlage Erziehungsgeld gezahlt werden.

Der Widerspruch der Klägerin wurde durch Widerspruchsbescheid vom 3. September 1996 zurückgewiesen. Das beklagte Land vertrat dabei weiterhin die Auffassung, daß das anrechenbare Einkommen für 1996 die Einkommensgrenze von 100.000,– DM überschreiten werde. Hinsichtlich der Höhe des Einkommens ging das beklagte Land dabei von folgenden Werten aus:

Gehalt 1 – 5/96

28.337,50

Beteiligung 1 – 5/96

49.144,51

Url./Wohngeld Vorjahr

17.518,29

Sonderprämie 5/96

4.000,00

Gehalt 6/96

12.590,08

7 – 12/96 = 11.759,51 × 6

70.557,06

Zu berücks. Einkommen

182.147,44.

Unter Zugrundelegung dieses Einkommens errechnete das beklagte Land ...

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