Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des Grundsicherungsberechtigten auf Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Berufsförderung

 

Orientierungssatz

1. Bei der Bewilligung beruflicher Förderungsmaßnahmen durch den Grundsicherungsträger nach § 21 Abs. 4 SGB 2 sind nach § 33 Abs. 4 S. 1 SGB 9 bei der Auswahl der Leistungen Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessen zu berücksichtigen. Soweit erforderlich, wird die berufliche Eignung abgeklärt oder eine Arbeitserprobung durchgeführt.

2. Dem Wunsch des Betroffenen für eine Ausbildung zu einem bestimmten Beruf stehen die vorherige Klärung seiner Eignung sowie der Grundsatz der wirtschaftlichen und sparsamen Mittelverwendung nach § 14 S. 3 SGB 2 gegenüber.

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 23. März 2016 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch auf Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Berufsförderung im Berufsförderungswerk E-Stadt oder F-Stadt nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II).

Der 1970 geborene Kläger erlitt im Jahr 1991 einen Sportunfall mit einer Knieverletzung und im Jahr 1994 weitere Schädigungen durch einen Autounfall. Er leidet an verschiedenen Behinderungen, u.a. einer funktionellen Blindheit des rechten Auges bei angeborenem Schielfehler mit fehlendem räumlichen Sehvermögen, ferner einem ständigen Hochtontinnitus beidseits, einem HVVS-Syndrom, einer Kreuzbandinstabilität des rechten Kniegelenks und an Verschleißerscheinungen am linken Kniegelenk. Nach dem Abitur 1991 nahm er zunächst ein Lehramtsstudium mit den Fächern Geographie und Chemie auf. Nach vier Semestern tauschte er das Fach Chemie gegen das Fach Politik aus. Im Wintersemester 1996/1997 brach er dieses Studium ab und begann im Folgenden ein Studium der Rechtswissenschaften, das er zeitweise unterbrach und letztlich nicht mit einem Abschluss beendete. Seit dem 1. Januar 2005 steht durchgehend im Leistungsbezug nach dem SGB II.

Mit Schreiben vom 20. April 2011 forderte er den Beklagten auf, seinen Anspruch auf Teilhabe am Arbeitsleben zu erfüllen und unverzüglich die notwendigen Leistungen zu erbringen. Er beantragte seine Anmeldung im Berufsförderungswerk E-Stadt bzw. F Stadt zur Abklärung seines Rehabilitationsbedarfs.

Unter dem Aktenzeichen: L 6 AS 8/08 erfolgte in der Öffentlichen Sitzung des 6. Senats des Hessischen Landessozialgerichts am 13. Juli 2011 zwischen den Beteiligten eine Teilerledigung durch Annahme eines Teilanerkenntnisses des Beklagten, wonach der Beklagte "einen Anspruch auf berufliche Rehabilitation" unstreitig gestellt und "dem Grunde nach" anerkannt hat.

Am 22. Dezember 2011 erhob der Kläger bei dem Sozialgericht (SG) Marburg unter dem Aktenzeichen: S 8 AS 389/11 eine Untätigkeitsklage und beantragte, über seinen Antrag vom 20. April 2011 auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben einen neuen Bescheid zu erteilen und gemäß dem Teilanerkenntnis im Verfahren: L 6 AS 8/08 Leistungen in Form einer Erstausbildung im Berufsförderungswerk in E-Stadt oder F-Stadt zu gewähren. Gleichzeitig stellte er einen Folgenbeseitigungsantrag.

Ein Vergleichsangebot des Beklagten mit der Bewilligung einer Berufsfindungsmaßnahme inklusive Arbeitserprobung bei dem Berufsförderungswerk C Stadt/D. lehnte der Kläger ab. Mit Bescheid vom 6. März 2012 lehnte der Beklagte die Anträge des Klägers auf Bewilligung einer Ausbildung zum Diplom-Betriebswirt (FH) beim Berufsförderungswerk E-Stadt sowie auf Anmeldung beim Berufsförderungswerk E-Stadt bzw. F-Stadt zur Abklärung des Rehabilitationsbedarfs ab. Die beantragte Bewilligung einer Ausbildung zum Diplom-Betriebswirt (FH) beim Berufsförderungswerk E-Stadt sei abzulehnen, da aktuell der Rehabilitationsbedarf sowie die Eignung des Klägers festzustellen sei. Ferner bestehe kein Anspruch auf eine ganz bestimmte Reha-Ausbildung und die Maßnahme sei zur Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben des Klägers auch nicht unerlässlich. Der Antrag auf Anmeldung beim Berufsförderungswerk E-Stadt bzw. F-Stadt zur Abklärung des Rehabilitationsbedarfs sei abzulehnen, weil nicht allein dort geeignete Leistungen der beruflichen Rehabilitation angeboten würden. Die Abklärung könne ebenso gut in einem näher gelegenen Berufsförderungswerk erfolgen.

Soweit Untätigkeit bzw. Bescheidung begehrt wurde, sind die Anträge teilweise zurückgenommen worden. Im Übrigen wurden die Anträge auf materielle Leistungen, das heißt auch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben konkret in Form einer Maßnahme im Berufsförderungswerk E-Stadt oder F-Stadt weiter verfolgt.

Die Verfahren S 8 AS 389/11, S 8 AS 112/11 und S 8 AS 322/10 hat das SG Marburg zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem führenden Aktenzeichen: S 8 AS 112/11 miteinander verbunden. Mit Gerichtsbescheid vom 5. August 2014 ha...

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