Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Übernahme von Schulgeld

 

Orientierungssatz

1. Erwägungen zur Bedürftigkeit spielen bei Prüfung eines Anspruchs auf Übernahme von Schulgeld keine Rolle.

2. Beim Anspruch auf Zahlung von Schulgeld handelt es sich nicht um einen solchen der Eingliederungshilfe (vgl. BSG, Urteil vom 15. November 2012, B 8 SO 10/11 R).

3. Nach § 54 SGB XII (juris: SGB 12) werden nur Maßnahmen gefördert, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung stehen. Davon zu Unterscheiden ist die Finanzierung der angemessenen Schulbildung.

 

Normenkette

SGB XII §§ 54, 92 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, S. 2, § 53 Abs. 1 S. 1; SGB IX § 2 Abs. 1 S. 1; EinglH-VO §§ 2, 12; HAG § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 1

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 27. November 2009 aufgehoben, soweit darin der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger ab dem 8. Juni 2007 Leistungen der Eingliederungshilfe in Höhe von 100,00 € monatlich zu zahlen. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander für das Verfahren erster und zweiter Instanz keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten, ob der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab dem 1. Juni 2007 Leistungen der Eingliederungshilfe in Form von Schulgeld zu gewähren.

Der 1991 geborene Kläger hat eine expressive Sprachstörung und allgemeine Entwicklungsverzögerung bei Intelligenzminderung im Grenzbereich zwischen Lernbehinderung und geistiger Behinderung. Er wurde im April 1997 zunächst für ein Jahr vom Schulbesuch zurückgestellt. Unter dem 8. März 1998 erstellte der Sonderschullehrer QW. ein förderdiagnostisches Gutachten, das zu den Möglichkeiten der Beschulung des Klägers ausführt, dem von der Mutter des Klägers geäußerten Wunsch auf Förderung im Sprachheilzentrum OP. solle vorbehaltlich des Ergebnisses der dort terminierten Untersuchung entsprochen werden. Falls der Kläger dort nicht aufgenommen werden sollte, scheine die Mutter eine Beschulung in der privaten ER.-Schule in Erwägung zu ziehen. Dies könne schon aus formalen Gründen nicht angeraten werden. Es solle auch die Beschulung in der TZ.-Schule (Schule für Praktisch Bildbare) in Betracht gezogen werden. Am 25. März 1998 fand eine Überprüfung zur Aufnahme in den stationären Bereich des Sprachheilzentrums OP. statt. Diese hatte zum Ergebnis, dass die Entwicklungsrückstände des Klägers so gravierend seien, dass er mit den Anforderungen im Sprachheilzentrum deutlich überfordert wäre und eine Beschulung in der UO.-Schule, einer privaten Sonderschule für Sprachbehinderte und Kranke, nicht adäquat wäre. Eine Beschulung in der ER.-Schule in B-Stadt könne eine gute Förderperspektive darstellen.

Mit Bescheid vom 8. Mai 1998 stellte das Staatliche Schulamt für den Landkreis Marburg-Biedenkopf aufgrund des Antrags der Grundschule PA. vom 17. Dezember 1997 nach eingehender sonderpädagogischer Überprüfung und der Anhörung durch die Sonderschule fest, dass für den Kläger sonderpädagogischer Förderbedarf bestehe. Dieser Förderungsbedarf werde in der (öffentlichen) TZ.-Schule, SD. (Sonderschule für Praktisch Bildbare) erfüllt. Der Kläger werde daher diese Schule ab 1. August 1998 besuchen. Es bestehe Einverständnis mit der Beschulung in der ER.-Schule. Bei dieser Schule handelt es sich um eine staatlich genehmigte Ersatzschule und Schule für praktisch Bildbare, Körperbehinderte, Lernhilfe und Erziehungshilfe auf anthroposophischer Grundlage. Träger der Schule ist der Verein für Heilende Erziehung B-Stadt e.V.

Am 30. Juli 1998 schlossen die Eltern des Klägers mit dem Verein für Heilende Erziehung B-Stadt e.V. einen Schulvertrag, wonach der Kläger mit Wirkung vom September 1998 in die erste Klasse der Schule aufgenommen wird. Ziffer 6 des Vertrages lautet: “Das Schulgeld wird mit dem Kostenträger vereinbart„. Mit einer “Beitragserklärung„ vom 3. September 1998 sagten die Eltern gegenüber dem Verein für heilende Erziehung B-Stadt e.V. zu, ab September 1998 für ihren Sohn ein monatliches Schulgeld in Höhe von 180,00 DM (entspricht 92,03 €) zu zahlen. Der Kläger besuchte die Schule seit September 1998. Ab der Umstellung auf Euro Anfang 2002 erbrachten die Eltern des Klägers monatliche Zahlungen in Höhe von 100,00 € an die ER.-Schule bzw. deren Trägerverein. Nach Angaben der Eltern ist die Zahlung aus Vereinfachungsgründen umgestellt worden.

Mit Schreiben vom 4. Juni 2007, bei dem Beklagten eingegangen am 8. Juni 2007, beantragte die ER.-Schule im Namen der Eltern des Klägers (und der Eltern weiterer 26 Kinder) unter Vorlage entsprechender Vollmachten die Übernahme des für den Kläger (und für die weiteren 26 Kinder) entstehenden Schulgeldes in Höhe von monatlich 302,92 € [sic] ab sofort gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII). Der Kläger erfülle die Voraussetzungen des § 53 SGB XII. Wegen mehrerer beim Sozialgericht Gießen und Marburg bereits oder demnächst ...

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