Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Darlehen wegen Stromschulden und Stromsperre. unabweisbarer Bedarf oder Schuldenübernahme zur Sicherung der Unterkunft. Rechtmäßigkeit der Tilgungsvereinbarung im abgeschlossenen Darlehensvertrag. Zulässigkeit der Aufrechnung
Orientierungssatz
1. § 22 Abs 5 SGB 2 setzt ein Bestehen von Schulden voraus, während Leistungen nach § 23 Abs 1 SGB 2 der Deckung eines gegenwärtigen unabweisbaren Bedarfs dienen. Soweit eine teilweise Kongruenz der Vorschriften gesehen werden kann, wird § 22 Abs 5 SGB 2 gegenüber § 23 Abs 1 SGB 2 als speziellere Regelung angesehen.
2. Bereits in der Rechtsprechung zur mit § 22 Abs 5 SGB 2 vergleichbaren Vorschrift im BSHG war anerkannt, dass eine unmittelbar drohende oder bereits erfolgte Sperrung der Energiezufuhr aufgrund Energiekostenrückständen als eine dem drohenden Verlust der Wohnung vergleichbare Notlage anzusehen ist. Nach dem Wortlaut der Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob es sich um rückständige Heizkosten oder um rückständige Haushaltsenergiekosten handelt, die bereits durch die Regelleistung abgedeckt sind.
3. Unabhängig davon, ob das Darlehen für Stromschulden auf der Rechtsgrundlage des § 23 Abs 1 SGB 2 oder § 22 Abs 5 SGB 2 bewilligt werden konnte, begegnet jedoch die Vereinbarung einer monatlichen Tilgung des Darlehens durch Aufrechnung in zulässiger Höhe im abgeschlossenen Darlehensvertrag keinen rechtlichen Bedenken. Im Hinblick auf eine mögliche analoge Anwendung des § 23 Abs 1 S 3 SGB 2 auf den Bedarf, der durch bewilligte Regelleistungen bereits gedeckt wurde, und die Vorschrift des § 26 Abs 3 SGB 12, ist es dem Grundsicherungsträger - anders als bei offensichtlich fehlender Aufrechnungsbefugnis - nicht verwehrt, sich auf die Tilgungsvereinbarung im Darlehensvertrag zu berufen.
Nachgehend
BSG (Vergleich vom 01.08.2011; Aktenzeichen B 14 AS 150/10 R) |
Tenor
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 9. Januar 2009 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger beziehen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) von der Beklagten. Sie wenden sich gegen die Einbehaltung in Höhe von 20,00 Euro monatlich aufgrund eines ihnen zur Begleichung von Stromrückständen gewährten Darlehens.
Am 21. Juni 2006 sprach die Klägerin zu 1. im Hinblick auf eine bereits erfolgte Sperrung der Stromversorgung wegen rückständiger Kosten bei der Beklagten vor. Diese gewährte den Klägern am selben Tage ein Darlehen in Höhe von 236,10 Euro und schloss mit den Klägern zu 1. und 2. eine entsprechende Darlehnsvereinbarung. Als Rechtsgrundlage benennt der Darlehensvertrag § 23 SGB II. Nach § 4 des Darlehensvertrages vom 21. Juni 2006 erfolgt die Tilgung des Darlehens in monatlichen Raten in Höhe von 20,00 Euro jeweils zahlbar bis zum 10. des nächsten Monats. Zur Fälligkeit der ersten Rate enthält der Vertrag keine Angabe.
Unter dem 16. August 2006 erteilte die Beklagte auf den Antrag vom 21. Juni 2006 einen Bescheid über die Gewährung eines Darlehns in Höhe von 236,10 Euro zur Begleichung des Stromrückstandes. Hinsichtlich der Tilgung wird auf einen gesonderten Bescheid verwiesen.
Mit Änderungsbescheid vom 18. September 2006 bewilligte die Beklagte den Klägern Leistungen für die Zeit vom 1. August 2006 bis zum 31. Januar 2007. Bei der Auszahlung behielt sie 20,00 Euro monatlich wegen des Darlehens für Stromrückstände ein. Nach Mitteilung der Beklagten erfolgte die Einhaltung der 20,00 Euro bereits ab Juli 2006.
Mit Änderungsbescheid vom 21. November 2006 bewilligte die Beklagte Leistungen für die Zeit vom 1. Dezember 2006 bis zum 31. Januar 2007. Mit Bescheid vom 30. Januar 2007 erfolgte die Bewilligung für die Monate Februar und März 2007.
Mit Änderungsbescheid vom 7. Februar 2007 hob die Beklagte den Bescheid vom 21. November 2006 nach § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ab 1. Januar 2007 auf und bewilligte Leistungen in Höhe von 1.114,00 Euro. Für den Monat Januar 2007 behielt sie 20,00 Euro wegen des Darlehens ein.
Mit weiterem Änderungsbescheid vom 7. Februar 2007 bewilligte die Beklagte 1.114,00 Euro für den Monat Februar 2007 sowie 1.176,00 Euro monatlich für die Zeit vom 1. März 2007 bis zum 31. Juli 2007. Auch für diesen Zeitraum behielt die Beklagte 20,00 Euro monatlich wegen des Darlehens ein.
Mit Schreiben vom 15. Februar 2007 legte der Bevollmächtigte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 7. Februar 2007 ein, mit dem er u. a. der Einbehaltung widersprach.
Mit Änderungsbescheid vom 14. März 2007 bewilligte die Beklagte 30,00 Euro monatlich höhere Leistungen ab 1. November 2006. Mit Schreiben vom 21. März 2007 legte der Bevollmächtigte Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 14. März 2007 ein, unter anderem wegen der Einbehaltung wegen Darlehen 20,00 Euro.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2008 wies die Beklagte die Widersprüch...