Entscheidungsstichwort (Thema)
Entscheidung zur Frage, ob eine nach 1945 erfolgte Inhaftierung wegen der Zugehörigkeit zur Waffen-SS in Jugoslawien einer Kriegsgefangenschaft gleichsteht
Leitsatz (amtlich)
1.) Die Voraussetzungen des Versorgungsanspruchs nach § 7 Abs. 1 Nr. 3, 1. Alternative BVG sind erfüllt, da der Kläger als Angehöriger der Waffen-SS militärähnlichen Dienst für eine deutsche Organisation geleistet und seinen jetzigen Wohnsitz in Geltungsbereich des BVG hat.
2.) Die Strafhaft eines „anderen Kriegsopfers” die von seinem Heimatstaat wegen Zugehörigkeit zur freiwilligen Waffen-SS verhängt worden ist, ist keine Kriegsgefangenschaft im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. 3 BVG, da sie nicht wegen Kriegsteilnahme, sondern wegen Verletzung der Treuepflicht gegenüber dem Heimatstaat Jugoslawien erfolgte (so auch BSG, Urteil v. 30.10.1969 Az.: 8 RV-89/68 im Falle eines belgischen Staatsangehörigen).
Normenkette
BVG §§ 1, 7
Verfahrensgang
SG Fulda (Urteil vom 15.07.1969) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 15. Juli 1969 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der 1921 geborene Kläger ist jugoslawischer Staatsangehöriger, der mit Bescheid vom 17. Juli 1968 des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge als Asylberechtigter gemäß § 28 Nr. 1 des Ausländergesetzes in Verbindung mit Art. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt worden ist.
Er stellte am 18. Januar 1968 beim Versorgungsamt F. Antrag auf Gewährung von Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen Verschüttungsfolgen im September 1944 in Ungarn und der nach dem Kriege in jugoslawischen Lagern erlittenen Haftschäden. Der Kläger diente ab Mai 1942 in der Waffen-SS-Division „H.” und „K.”, zuletzt als Hauptsturmführer und geriet im Mai 1945 in S. in englische Kriegsgefangenschaft. Er ist dann an Jugoslawien ausgeliefert worden, das ihn in verschiedenen Straflagern gefangen hielt. Durch das Kreisgericht in S. ist er am 24. Juli 1947 u.a. wegen der Zugehörigkeit zur Waffen-SS und Kriegsteilnahme auf deutscher Seite zu einer Zuchthausstrafe von 8 Jahren mit Zwangsarbeit unter Anrechnung der Untersuchungshaft ab 2. November 1948 bestraft worden, die er bis 1955 verbüßte.
Im Auftrag der Versorgungsbehörde führten Dres. M., Z., H., R., C. und R. ärztliche Untersuchungen durch. In dem nervenfachärztlichen Hauptgutachten vom 22. Januar 1968 vertrat der Facharzt für Nervenkrankheiten Dr. R. die Ansicht, die „reaktionslose Narbe in der linken unteren Stirngegend und die reizlose Narbe am Rücken und Unterschenkel” seien Schädigungsfolgen, während die „narbigen Zwölffingerdarmveränderungen ohne Behinderung der Entleerungsfunktion des Magens, der knöchern fest verheilte Bruch des Grundgliedes des re. Mittelfingers und der 4. Zehe re., die traumatische Nasenscheidewandverbiegung nach links und der Verlust der Zähne 87654321/14578 im Oberkiefer und 76/4678 im Unterkiefer” als Haftschäden anzusehen seien. Dafür betrage die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) 30 v.H.. Dagegen seien der „gesteigerte innere Spannungszustand mit Neigung zu Handtremor und Ohnmachtsanfällen auf psychosomatischer Basis, die Rippenfellkuppenschwiele und Zwerchfellverwachsung rechts, die leichte Bronchitis, die leichte Entzündung der ableitenden Harnwege, die chron. Gaumenmandelentzündung und die Veränderungen am Zahnhalteapparat i.S. einer Parod. marg. chronica bei 5/5 und L 23” als Nichtschädigungsleiden zu beurteilen.
Mit Bescheid vom 12. September 1968 sind hiernach
- „Reaktionslose Narbe in der linken unteren Stirngegend,
- Reizlose Narbe am rechten Unterschenkel”
als Schädigungsfolgen anerkannt worden, die jedoch keine Minderung der Erwerbsfähigkeit von wenigstens 25 v.H. bedingten. Der Bescheid stellte weiterhin fest, die als Haftschäden diagnostizierten Gesundheitsstörungen könnten deshalb nicht als schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) angesehen werden, weil sie als Folgen der Haft in dem Heimatstaat des Klägers zu beurteilen und damit nach Kriegsende entstanden seien.
Der auf den Widerspruch ergangene ablehnende Widerspruchsbescheid vom 6. Januar 1969 führte noch aus, das Festhalten durch die jugoslawischen Behörden in dem Heimatstaat des Klägers könne nicht als Kriegsgefangenschaft gewertet werden, weil die jugoslawischen Behörden für ihn als Kroaten keine ausländische Macht gewesen seien. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2 Buchst. b BVG sei daher nicht anzuwenden.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Fulda hat der Kläger vorgetragen, er sei als Kriegsgefangener i.S. des BVG zu behandeln, da er während des Krieges in einer deutschen Einheit Militärdienst geleistet habe und deshalb in Jugoslawien inhaftiert gewesen sei. Die Strafhaft in Jugoslawien sei als Fortsetzung der in Österreich begonnenen Kriegsgefangenschaft durch die Engländer aufzufassen. Demgegenüber hat der Beklagte geltend gemacht, nach der Entlassung aus e...