Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Ruhen. Abfindung. vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ursachenzusammenhang. Zwischenbeschäftigung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Abfindung oder ähnliche Leistung führt nur dann zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach § 117 Abs. 2 AFG, wenn diese wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird.
2. An einem solchen, die Regelvermutung des § 117 Abs. 2 AFG begründenden Ursachenzusammenhang fehlt es, wenn nach einer fristgerechten Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung das auslaufende Arbeitsverhältnis wegen eines neuen Arbeitsverhältnisses doch noch vorzeitig beendet wird (Abgrenzung zu BSG Urteil vom 29. Oktober 1986 – 7 RAr 48/85 = SozR 4100 § 117 Nr. 17).
Normenkette
AFG § 117 Abs. 2
Verfahrensgang
SG Gießen (Urteil vom 06.03.1989; Aktenzeichen S-5/Ar - 40/88) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 6. März 1989 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) gemäß § 117 Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) für den Monat September 1987 wegen des Bezugs einer Abfindung aus einem früheren Beschäftigungsverhältnis.
Die am 2. Juni 1936 geborene Klägerin war von 1970 bis 30. Juni 1987 bei der Firma V. in G. als Sekretärin bzw. Sachbearbeiterin beschäftigt. Die Kündigungsfrist dieses Arbeitsverhältnisses betrug sechs Monate zum Vierteljahresschluß. Mit Schreiben vom 20. März 1987 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum 30. September 1987. Nachdem der Betriebsrat der Kündigung widersprochen hatte, kam es noch im März 1987 zu einer vergleichsweisen Einigung mit der Klägerin mit folgendem Inhalt (Schreiben der Firma V. vom 1. April 1987):
- „Das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis endet auf Grund der angesprochenen arbeitgeberseitigen betriebsbedingten Kündigung zum 30. September 1987.
- Aus Anlaß des Verlustes des Arbeitsplatzes und zur Vermeidung eines Kündigungsschutzprozesses zahlen wir Ihnen gemäß §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz eine einmalige Abfindung in Höhe von DM 44.820,00. Davon sind auf Grund steuerlicher Vorschriften DM 30.000,00 steuerfrei.
- Wir sichern Ihnen zu, daß Sie – falls Sie dies wünschen – auch bereits zu einem früheren Zeitpunkt als dem 30. September 1987 Ihr Arbeitsverhältnis beenden können, um ggf. eine neue Arbeitsstelle antreten zu können. Die Höhe der Ihnen zustehenden Abfindung wird durch vorstehenden Tatbestand nicht berührt.”
Von der Befugnis nach Ziffer 3 machte die Klägerin Gebrauch nachdem sie eine neue Arbeitsstelle bei dem Modehaus B. in W. als Assistentin der Geschäftsinhaberin für Verkauf und Empfang ab dem 1. Juli 1987 gefunden hatte. Dieses Arbeitsverhältnis wurde noch während der vereinbarten Probezeit durch Kündigung des Arbeitgebers fristgerecht zum 31. August 1987 beendet, weil die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen die durchweg stehende Tätigkeit nicht ausüben konnte. Daraufhin meldete sich die Klägerin am 27. August 1987 mit Wirkung zum 1. September 1987 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Die Beklagte gewährte der Klägerin erst ab dem 1. Oktober 1987 Alg und stellte mit Bescheid vom 29. September 1987 das Ruhen des Anspruchs der Klägerin auf Alg für die Zeit vom 1. bis 30. September 1987 nach § 117 Abs. 2 AFG wegen der von der Firma V. gewährten Abfindung fest. Den hiergegen am 20. Oktober erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 1988 zurück.
Gegen diese Bescheide hat die Klägerin am 13. Januar 1988 Klage vor dem Sozialgericht Gießen erhoben mit der Begründung, daß ein Ruhen des Alg nach § 117 Abs. 2 AFG nach Sinn und Zweck dieser Regelung nur dann anzunehmen sei, wenn der Arbeitnehmer aus dem letzten Arbeitsverhältnis vor Beginn der Arbeitslosigkeit noch Vergütungsansprüche habe und die gewährte Abfindung zumindest teilweise Arbeitsentgelt enthalte, was vorliegend nicht der Fall sei. Die Vorschrift greife nicht zu Lasten eines Arbeitnehmers ein, der sich durch eigene Anstrengungen bemühe, eine Arbeitslosigkeit und damit finanzielle Belastungen der Versichertengemeinschaft zu vermeiden.
Die Beklagte vertrat demgegenüber die Auffassung, daß nach dem eindeutigen Wortlaut des § 117 Abs. 2 AFG alleine entscheidend sei, daß die Klägerin vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist aus dem Beschäftigungsverhältnis mit der Firma V. ausgeschieden sei und wegen der Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses eine Abfindung erhalten habe.
Durch Urteil vom 6. März 1989 hob das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide auf und verurteilte die Beklagte, der Klägerin für die Zeit vom 1. bis 30. September 1987 Alg in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Nach dem Wortlaut des § 117 Abs. 2 S. 1 AFG komme es zwar nicht darauf an, ob die Abfindung gerade wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses g...