Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 21.02.1990; Aktenzeichen S-6/An-1149/87) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 21. Februar 1990 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin beansprucht die Anerkennung einer Kindererziehungszeit vom 1. September 1963 bis 31. August 1964.
Die am … 1931 geborene Klägerin hat sich zusammen mit ihrem Ehemann von 1962 bis 1965 in Brasilien aufgehalten. Dort war der Ehemann als Betriebsleiter in einem selbständigen Tochterunternehmen der H. AG, F., beschäftigt; er hatte während seiner Auslandstätigkeit zwei Arbeitsverträge, und zwar einmal mit der H. AG in Deutschland und zum anderen mit der Tochtergesellschaft in Brasilien. Der Vertrag mit der Tochtergesellschaft regelte neben der Gehaltszahlung den Arbeitseinsatz bezüglich Arbeitszeit, Arbeitsdauer, Arbeitsort und Art der Arbeitsausführung; insoweit unterlag der Ehemann der Klägerin dem Weisungsrecht der Tochtergesellschaft. Der Vertrag mit der H. AG war in einem allgemeinen Anstellungsvertrag und einer Ergänzungsvereinbarung geregelt; wegen weiterer Einzelheiten wird dazu auf die Auskünfte der H. AG vom 29. November 1991 und 22. Mai 1992 verwiesen. Während des Brasilienaufenthaltes wurden weder für die Klägerin noch für ihren Ehemann Pflichtbeiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet; der Ehemann war wegen Überschreitens der Verdienstgrenze von der Versicherungspflicht befreit. Die Klägerin hat drei Kinder geboren, davon den Sohn C. W. am … 1963 in Brasilien.
Mit Bescheid vom 21. November 1986 entsprach die Beklagte dem Antrag der Klägerin auf Anerkennung von Zeiten der Kindererziehung für die in Deutschland geborenen Töchter C. (geboren … 1965) und B. (geboren … 1969); hinsichtlich des Sohnes C. W. lehnte die Beklagte es ab, die Zeit vom 1. September 1963 bis 31. August 1964 als Zeit der Kindererziehung nach § 28a Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) anzuerkennen. Die Klägerin habe weder während der Kindererziehung in einem Staat außerhalb des Geltungsbereichs des Angestelltenversicherungsgesetzes bzw. der Reichsversicherungsgesetze noch unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer Beschäftigung in diesem Staat Pflichtbeitragszeiten nach dem Angestelltenversicherungsgesetz erworben. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin die Anerkennung der Kindererziehungszeit vom 1. September 1963 bis 31. August 1984 für den Sohn C. W. geltend. Mit Bescheid vom 6. März 1987 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Dem Begehren könne nicht stattgegeben werden, da hierzu die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorlagen. Während des Aufenthalts im Ausland habe weder die Klägerin noch ihr Ehemann Pflichtbeiträge zur deutschen Rentenversicherung entrichtet, so daß die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zur Anrechnung von im Ausland zurückgelegten Zeiten der Kindererziehung nicht erfüllt seien.
Gegen den am 11. März 1987 abgesandten Bescheid erhob die Klägerin am 8. April 1987 beim Sozialgericht Frankfurt, am Main Klage. Zwar sei richtig, daß die in § 28 Abs. 3 in Verbindung mit § 2 Abs. 5 Satz 1 AVG aufgeführten Voraussetzungen für die Anerkennung von Kindererziehungszeiten bei ihr nicht vorlägen, so daß der Antrag auf Anerkennung von Kindererziehungszeiten vom 1. September 1963 bis 31. August 1964 formal zu Recht abgelehnt worden sei. Die angeführten Vorschriften seien jedoch zum Teil verfassungswidrig und bedürften deshalb einer Ergänzung. Ihr Ehemann sei zum 1. August 1962 zu einer Tochtergesellschaft der H. AG nach Brasilien versetzt worden. Ohne diese Versetzung wären die Kindererziehungszeiten ohne weiteres angerechnet worden. Den Wirtschaftsunternehmen sei erst mit Wirkung vom 1. Juli 1965 die Möglichkeit eingeräumt worden, für ihre Mitarbeiter die sogenannte Pflichtversicherung auf Antrag nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 AVG durchzuführen. Hätte es bereits bei der Versetzung nach Brasilien diese Vorschrift gegeben, wäre sicherlich vor Beginn der Aufnahme der Auslandstätigkeit die Pflichtversicherung auf Antrag durchgeführt worden mit der Folge, daß auch dann Kindererziehungszeiten nach § 28a Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 2 Abs. 5 Nr. 1 und 2 AVG anerkannt worden wären. Die Vorschrift des § 28 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 2 Abs. 5 Sätze 1 und 2 AVG sei insofern verfassungswidrig, als Ehefrauen von Mitarbeitern deutscher Großunternehmen, die zu Tochtergesellschaften ins Ausland versetzt würden, keinen Anspruch auf Anerkennung von Kindererziehungszeiten hätten. Die Auslandsdelegierten von deutschen Wirtschaftsunternehmen müßten den Beamten, die im allgemeinen überhaupt keine Bindung zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung hätten, zumindest gleichgestellt werden, und zwar unabhängig davon, ob die Möglichkeit der Pflichtversicherung auf Antrag nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 AVG bestanden habe oder eine Unterstellung unter die deutschen Rechtsvorschriften a...