Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtlicher Schadensersatzanspruch. Herstellungsanspruch. Anschluß-Arbeitslosenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch über einen sozialrechtlichen Schadensersatz- bzw. Herstellungsanspruch kann bei der Anschluß-Arbeitslosenhilfe nicht die aufgrund der Vorschrift des § 136 Abs. 2 Nr. 1 AFG bestehende Bindung an das Arbeitsentgelt, nach dem sich zuletzt das Arbeitslosengeld gerichtet hat, durchbrochen werden.

2. Im Wege des sozialen Schadensersatzes kann nicht die Abrechnung eines höheren als des tatsächlich erzielten Arbeitsentgeltes unterstellt werden. Insoweit handelt es sich um Gegebenheiten, die ihre rechtliche Grundlage in den zwischen dem Arbeitslosen und seinem Arbeitgeber bestehenden arbeitsrechtlichen Beziehungen haben; an sie sind die Leistungsträger im Sinne einer Tatbestandswirkung auch dann gebunden, wenn ein ihnen vorwerfbares Fehlverhalten die Gestaltung dieser arbeitsrechtlichen Beziehungen beeinflußt hat.

 

Normenkette

AFG vom 12. Dezember 1977 § 136 Abs. 2 Nr. 1; AFG vom 23. Juli 1979 § 136 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

SG Gießen (Urteil vom 04.09.1979; Aktenzeichen S 5a Ar 181/78)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 4. September 1979 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Anschluß-Arbeitslosenhilfe (Anschluß-Alhi).

Die am … 1921 geborene Klägerin hat den Beruf einer Kinderkrankenschwester erlernt und bis Ende des Jahres 1970 ausgeübt. Da sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in diesem Beruf tätig sein kann, bezieht sie seit dem 1. Januar 1974 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) in Berlin und eine Zusatzrente von der Zusatzversorgungskasse für die Gemeinden und Gemeindeverbände in Wiesbaden. Nach Erschöpfung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) gewährte ihr die Beklagte unter Anrechnung der Rente Anschluß-Alhi für die Zeit vom 16. März 1973 bis 30. Juli 1977, und zwar zuletzt nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 435,– DM. Auf Vermittlung der Beklagten arbeitete die Klägerin ab dem 1. August 1977 bis zum 31. Januar 1978 bei der Firma H. S. Freizeit- und Damenmoden, W., als kaufmännische Angestellte; die Beklagte leistete insoweit eine Förderung nach dem Schwerbehinderten-Sonderprogramm sowie eine Eingliederungsbeihilfe. Nach dem am 12. Juli 1977 geschlossenen Anstellungsvertrag, der der Leistungsgewährung der Beklagten zugrunde gelegt wurde, sollte die Klägerin ganztags arbeiten und ein Bruttoarbeitsentgelt von 1.684,– DM erhalten. Tatsächlich arbeitete sie jedoch nur halbtags (20 Stunden wöchentlich) zu einem Bruttolohn von 842,– DM monatlich. Der Arbeitgeber Heinz Stock wurde wegen Bertruges zu Lasten der Beklagten verurteilt; dieses Urteil ist rechtskräftig.

Aufgrund Alg-Verfügungen vom 4. April 1978 und 28. Juni 1978 gewährte die Beklagte der Klägerin Alg unter Zugrundelegung eines Monatslohnes von 842,– DM nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 195,– DM für insgesamt 78 Arbeitstage (vom 1. Februar 1978 bis zum 22. April 1978 und vom 26. Juni 1978 bis zum 4. Juli 1978).

Den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Anschluß-Alhi für die Zeit ab dem 5. Juli 1978 lehnte sie mit Bescheid vom 12. Juli 1978 wegen fehlender Bedürftigkeit der Klägerin ab, da diese von der BfA eine Rente von monatlich 579,90 DM und von der Zusatzversorgungskasse eine Rente von monatlich 35,40 DM bezog; den am 13. Juli 1978 eingelegten Widerspruch der Klägerin, mit dem diese geltend machte, sie habe früher jahrelang unter ähnlichen Bedingungen Alhi erhalten, wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 1978, zugestellt am 1. August 1978, als unbegründet zurück, wobei im einzelnen wegen der Begründung der fehlenden Bedürftigkeit auf den Inhalt dieses Bescheides verwiesen wird.

Am 8. August 1979 hat die Klägerin beim Sozialgericht Gießen schriftlich Klage erhoben.

Sie hat geltend gemacht, sie habe die Halbtagstätigkeit bei der Firma S. nur deshalb gezwungenermaßen angenommen, weil ihr von seiten der Beklagten für den Fall einer Ablehnung die Streichung der Alhi angedroht worden sei. Der Beklagten sei bekannt gewesen, daß es sich, jedenfalls zunächst, nur um eine Halbtagsbeschäftigung gehandelt habe; der Bedienstete W. H. als zuständiger Sachbearbeiter habe ihr sogar zugeredet, diese Halbtagsstelle anzunehmen. Zumindest sei die Beklagte unter diesen Umständen verpflichtet gewesen, sie darauf aufmerksam zu machen, daß sie bei Annahme einer Halbtagsstelle einen evtl. Anspruch auf Alhi verliere. Die Beklagte hat demgegenüber die Ausübung jeglichen Zwanges hinsichtlich der Annahme der Beschäftigung bei der Firma S. bestritten und sich darauf berufen, daß sie davon ausgegangen sei, daß die Klägerin entsprechend dem abgeschlossenen Anstellungsvertrag eine Ganztagsbeschäftigung ausübe; die Ausübung einer Halbtagstätigkeit sei ihr ni...

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