Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Bemessungsentgelt. Nichtberücksichtigung von Einmalzahlungen. Antrag auf Überprüfung bestandskräftiger Bewilligungsbescheide. Stichtagsregelung. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
Eine Erhöhung des Bemessungsentgeltes wegen Berücksichtigung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt für die Zeit vor dem 22.6.2000 aufgrund eines Überprüfungsantrages nach § 44 Abs 1 SGB 10 ist nicht vorzunehmen, wenn der Ausgangsbescheid am 21.6.2000 bereits bestandskräftig war. Weder aus § 330 Abs 1 noch aus § 434c Abs 1 SGB 3 lässt sich etwas anderes herleiten.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 9. April 2002 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Es geht in dem Rechtsstreit um höheres Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 1. Januar 1997 bis 21. Juni 2000 (mit Ausnahme der Zeiten des Krankengeldbezuges vom 26. Mai 1997 bis zum 29. Januar 1998 und vom 11. Mai 1998 bis zum 9. Dezember 1998) und dabei um die Frage der Berücksichtigung von Einmal-Zahlungen bei dem Vorliegen von bestandskräftigen Bescheiden.
Die ... 1945 geborene und verheiratete Klägerin war von 1988 bis zum 31. Januar 1996 als Technische Angestellte bei der D-Optik-W-GmbH beschäftigt. Die im Betrieb tarifliche regelmäßige Arbeitszeit betrug 38,5 Stunden wöchentlich, wobei die Klägerin vertragsgemäß an drei Tagen 24 Stunden wöchentlich arbeitete. In der Zeit von Juni 1995 bis Januar 1996 und im Mai 1996 erzielte die Klägerin ausweislich der Arbeitsbescheinigung in 90 Arbeitstagen ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von DM 15.746,50, und zwar gleichbleibend je Monat DM 2.249,50. Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld waren in den Angaben der Arbeitsbescheinigung nicht enthalten. Ab dem 1. Februar 1996 erfolgte die Freistellung der Klägerin. In der Lohnsteuerkarte 1996 war die Steuerklasse 5 und kein zu berücksichtigendes Kind eingetragen. Auf den Arbeitslosengeld-Antrag vom 1. Februar 1996 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld für die Zeit ab 1. Februar 1996 nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von DM 520,-- und Leistungsgruppe D für 676 Tage mit einem wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von DM 156,--. Gewährt wurde Arbeitslosengeld für die Zeit bis zum 30. April 1996. Wegen Arbeitsaufnahme ab 1. Mai 1996 wurde die Arbeitslosengeld-Gewährung ab diesem Zeitpunkt beendet.
Am 28. Juni 1996 meldete sich die Klägerin zum 1. Juli 1996 erneut arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Die Arbeitgeberin bescheinigte u.a. für die Zeit vom 1. Mai bis 30. Juni 1996 ein jeweils gleichbleibendes Monatsbruttoeinkommen in Höhe von DM 2.249,50 und wies darauf hin, dass die Klägerin seit 1988 das tarifliche Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe von je 50% regelmäßig erhalten habe. Mit Bescheid vom 31. Juli 1996 bewilligte die Beklagte der Klägerin erneut Arbeitslosengeld für die Zeit ab 1. Juli 1996 in bisheriger Höhe. Mit Bescheid vom 14. Januar 1997 setzte die Beklagte die Höhe des Arbeitslosengeldes für die Zeit ab 1. Januar 1997 auf wöchentlich DM 153,-- fest.
Am 12. August 1996 hatte die Klägerin gegen die Höhe des Arbeitslosengeldes Widerspruch eingelegt, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Oktober 1996 zurückwies. In der Begründung wurde darauf hingewiesen, dass es sich um eine Wiederbewilligung in der bisherigen Höhe handele, da die Klägerin durch die Zwischenbeschäftigung keinen neuen Arbeitslosengeld-Anspruch erworben habe. Die Nichtberücksichtigung von einmaligen und wiederkehrenden Zuwendungen in Form von Urlaubs- und Weihnachtsgeld entspreche § 112 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) und sei vom Bundessozialgericht (BSG) bestätigt worden.
Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Gießen mit Urteil vom 16. Januar 1997 (S-12/Ar-1870/96) abgewiesen. In der Begründung hat es u.a. ausgeführt, der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11. Januar 1995 (1 BvR 892/88) habe zwar festgestellt, dass § 385 Abs. 1a Reichsversicherungsordnung (RVO) mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz -- GG) unvereinbar sei, es habe jedoch die weitere Anwendung der Norm bis zu einer gesetzlichen Neuregelung bis längstens zum 31. Dezember 1996 zugelassen. Eine evtl. Verfassungswidrigkeit des § 112 Abs. 1 Satz 2 AFG für die Zeit ab 1. Januar 1997 wirke sich jedoch nicht auf Leistungsansprüche aus, die vor dem 1. Januar 1997 entstanden seien.
Die hiergegen eingelegte Berufung hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 23. Juli 1997 (L-6/Ar-312/97) im Wesentlichen unter Bezug auf die erstinstanzliche Begründung zurückgewiesen.
In der Zeit vom 26. Mai 1997 bis zum 29. Januar 1998 bezog die Klägerin Krankengeld.
Mit Bescheid vom 3. März 1998 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld für die Zeit vom 30. bis 31. Januar 1998 in Höhe von DM 22,-- täglich (DM 154,-- wöchentlich bei Bemessungsentgelt von DM 520,--) und mit weiterem Bescheid von ...