Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis der Hilfebedürftigkeit als Voraussetzung des Anspruchs eines Ausländers auf Sozialhilfe
Orientierungssatz
1. Der Anspruch auf Sozialhilfe für Ausländer nach § 23 Abs. 1 SGB 12 setzt Hilfebedürftigkeit nach § 19 Abs. 1 bzw. 2 SGB 12 voraus. Die Hilfebedürftigkeit muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegeben sein.
2. Wird von dem Antragsteller vorgetragen, der Lebensunterhalt werde von Leistungen des Grundsicherungsträgers, von Darlehen, von Freunden und Verwandten sowie durch Bettelei bestritten und geben vorgelegte Kontoauszüge keinerlei Auskunft über die Herkunft von Unterstützungsleistungen, so fehlt es am erforderlichen Nachweis bestehender Hilfebedürftigkeit des Antragstellers.
3. Die Folgen der Nichterweislichkeit der Bedürftigkeit trägt der Antragsteller.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. April 2019 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von lebensunterhaltsichernden Sozialhilfeleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) - Sozialhilfe - für die Zeit vom 18. Februar 2013 bis zu ihrer Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland.
Die 1964 geborene Klägerin und der 1962 geborene Kläger sind miteinander verheiratet und bulgarische Staatsangehörige. Der Kläger ist aufgrund einer Oberschenkelamputation auf einen Rollstuhl angewiesen.
Die Kläger reisten am 23. Oktober 2012 ins Bundesgebiet ein und wohnten zunächst bei ihrer Tochter (D.) und dem künftigen Schwiegersohn (E.) in B-Stadt (Meldebescheinigung Bl. 73 SGB XII-Leistungsakte). Diese hatten zur damaligen Zeit jeweils ein Gewerbe angemeldet. Unter dem 15. Februar 2013 (Eingang beim Beklagten: 18. Februar 2013) stellten die Kläger beim Beklagten einen Antrag auf laufende/ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt bzw. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Bl. 1 SGB XII-Leistungsakte). Dabei gaben sie an, bisher sei der Lebensunterhalt mit einer Rente des Ehemanns i.H.v. ca. 280 Lewa (= 143,48 Euro) monatlich sowie durch Unterstützung ihres Sohns und ihrer Tochter sowie des Schwiegersohns bestritten worden; Vermögen bestehe nicht (Bl. 10 SGB II-Leistungsakte). Diese hätten jedoch nunmehr kein Geld mehr, sie zu unterstützen. Die Klägerin gab weiter an, sie sei grundsätzlich arbeitsfähig, könne aber nicht arbeiten, da sie rund um die Uhr mit der Pflege des Klägers beschäftigt sei (Bl. 17 SGB XII-Leistungsakte).
Am 17. Februar 2013 bezogen die Kläger eine Wohnung in C-Stadt, C-Straße (Meldebescheinigung, Bl. 51 SGB II-Leistungsakte). Die monatliche Kaltmiete betrug 245 Euro, die Kosten der Heizung (ohne Warmwasserbereitung) 39 Euro, Kosten der Warmwasseraufbereitung (nur Energiekosten) 22 Euro, sonstige Nebenkosten 90 Euro, Kosten der Waschmaschinenbenutzung 15 Euro (vgl. Mietbescheinigung Bl. 37 SGB XII-Leistungsakte). Ein Mietvertrag wurde trotz Aufforderung nicht vorgelegt. Der Beklagte leitete den Leistungsantrag zunächst an seine SGB II-Leistungsbehörde weiter.
Am 21. Februar 2013 beantragten die Tochter und der Schwiegersohn der Kläger beim Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - (SGB II) und gaben an, bei ihnen seien die Aufträge ausgeblieben und die Ersparnisse aufgebraucht.
Durch Bescheid vom 12. Juni 2013 (Bl. 75 SGB XII-Leistungsakte) stellte das Ausländeramt des Beklagten den Verlust des Freizügigkeitsrechts der Kläger fest. Der Bescheid ging ihnen am 13. Juni 2013 zu. Widerspruch (vgl. Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2013, Bl. 111 SGB XII-Leistungsakte) und Klage hiergegen blieben erfolglos (Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 20. Mai 2015, Az. 5 K 1569/13.DA, Bl. 173 Ausländerakte), der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde abgelehnt (Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. August 2017, Az. 9 A 1253/15.Z; Bl. 272 Ausländerakte).
Durch Bescheid vom 1. Juli 2013 (Bl. 85 SGB XII-Leistungsakte) und Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2013 (Bl. 91 SGB XII-Leistungsakte) lehnte der Beklagte die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab. Eine Hilfebedürftigkeit könne nicht festgestellt werden, die Kläger hätten nicht plausibel erklären können, aus welchen Mitteln sie in der Vergangenheit ihren Lebensunterhalt bestritten hätten. Weiter sei ein gewöhnlicher Aufenthalt i. S. v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II nicht gegeben, wegen der Verlustfeststellung fehle es an einem rechtmäßigen Aufenthalt. Das hiergegen eingeleitete Klageverfahren blieb erfolglos. Mit derselben Begründung lehnte der Beklagte auch mit Bescheid vom 13. August 2013 (Bl. 219 SGB II-Leistungsakte) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Oktober 2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II au...