Entscheidungsstichwort (Thema)
UV-Schutz bei Spaziergängen während einer stationären Rehabilitationsmaßnahme
Leitsatz (amtlich)
Ein Rehabilitand, dem von einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung eine stationäre Heilbehandlung bewilligt ist, steht auch auf einem ärztlich nicht angeordneten Spaziergang in unmittelbarer Nähe der Kuranstalt am Tage nach der Anreise zwischen zwei Untersuchungsterminen unter Unfallversicherungsschutz.
Normenkette
RVO § 539 Abs. 1 Nr. 17a, §§ 559, 555; RehaAnglGes § 1
Verfahrensgang
SG Darmstadt (Urteil vom 10.11.1977; Aktenzeichen S-1/U - 41/77) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 10. November 1977 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreites zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob ein Sturz der Klägerin während eines Kuraufenthaltes einen versicherten Arbeitsunfall darstellt.
Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte – BfA – bewilligte der im Jahre 1930 geborene Klägerin wegen einer chronischen Gastroduodenitis, Anämie und eines Zustandes nach Totalunterleibsoperation im November 1975 für die Zeit vom 18. Februar bis 17. März 1976 in dem B. Sanatorium in C. eine stationäre Heilbehandlung im Sinne von § 559 Reichsversicherungsordnung – RVO –. Nach der Anreise am 18. Februar 1976 begannen die Heilbehandlungsmaßnahmen am nächsten Tag um 7.00 Uhr mit Laboruntersuchungen. Anschließend frühstückte die Klägerin bis gegen 8.35 Uhr. Da sie bis zur nächsten Untersuchung um 10.00 Uhr noch freie Zeit hatte, ging sie, der förmlichen Unfallanzeige zufolge, im Sanatoriumsgelände spazieren, wobei sie gegen 9.00 Uhr ausrutschte und sich beim Sturz eine Radiusfraktur links zuzog. Mit formlosem Schreiben vom 10. Februar 1977 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß sie keine Leistungen gewähren könne, da der Unfall nicht bei der Befolgung bzw. Ausführung einer ärztlichen Anordnung geschehen sei. Das Spazierengehen sei vielmehr dem privaten und somit unversicherten Bereich zuzuordnen. Auf Verlangen der Klägerin erteilte sie dieser am 29. März 1977 einen förmlichen Bescheid mit gleichem Inhalt.
Gegen diesen an sie am gleichen Tage abgesandten Bescheid hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Darmstadt – SG – am 18. April 1977 Klage erhoben. Das SG hat zunächst die Deutsche Angestellten Krankenkasse – DAK – beigeladen und die Auskunft des Dr. H.-B. Sanatorium – vom 22. Juli 1977 eingeholt. Hiernach habe es sich bei dem Unfall der Klägerin um keinen außergewöhnlichen Vorfall gehandelt. Der Spaziergang sei ärztlich nicht angeordnet gewesen; auch hätten sich auf dem Sanatoriumsgelände keine besonderen Hindernisse befunden. Sodann hat das SG am 10. November 1977 die Beklagte verurteilt, der Klägerin aus Anlaß des Unfallereignisses vom 19. Februar 1976 die gesetzliche Unfallentschädigung zu gewähren, weil das Spazierengehen auf dem Sanatoriumsgelände in der frischen Luft angesichts der Einweisungsdiagnose auch ohne besondere ärztliche Anordnung als vernünftige Bewegungstherapie anzusehen sei.
Gegen dieses ihr am 22. November 1977 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat die Beklagte bei dem Hessischen Landessozialgericht am 9. Dezember 1977 Berufung eingelegt. Sie hat während des Berufungsverfahrens das 1. Rentengutachten des Dr. Z. (Kreiskrankenhaus G.) vom 29. Dezember 1977 eingeholt, das dieser am 13. Januar 1978 ergänzte und als wesentliche Unfallfolgen einen „Zustand nach mit einer leichten Achsenfehlstellung und Defektbildung im Bereich der Gelenkfläche ausgeheilter Radiusfraktur links sowie Bewegungseinschränkung des linken Handgelenkes” beschrieb. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit – MdE – betrage nach Wegfall der Arbeitsunfähigkeit i.S. der Krankenversicherung ab 12. April 1976 bis zum Ablauf des zweiten Unfalljahres 20 v.H. und danach nur noch 10 v.H. Mit dem Bescheid vom 2. März 1978 hat die Beklagte in Ausführung des sozialgerichtlichen Urteils die Verletztenrente für die Zeit vom 10. November 1977 bis zum 31. Januar 1978 mit einer MdE um 20 v.H. festgestellt und zugleich entschieden, daß diese ab 1. Februar 1978 nicht mehr gewährt werden könne, da seitdem kein rentenberechtigender Grad der MdE mehr vorliege.
Es ist im Berufungsverfahren der Facharzt für Orthopädie Dr. med. W. B. (D.) als Sachverständiger zu der Frage gehört worden, ob und welchen Grad der MdE die Folgen des Unfalls der Klägerin seit dem 1. Februar 1978 bedingen. Der Sachverständige hat in Übereinstimmung mit Dr. Z. sein Gutachten dahin erstattet, daß die MdE für die Unfallfolgen in dem Ausführungsbescheid zutreffend bis zum 31. Januar 1978 mit 20 % bewertet worden sei. Danach betrage sie weniger als 20 %. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 19. April 1978 verwiesen.
Zur Begründung der Berufung macht die Beklagte erneut geltend, daß der Unfall auf einem unversicherten,...