Verfahrensgang
SG Marburg (Urteil vom 13.08.1996; Aktenzeichen S-3/U-271/94) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 13. August 1996 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Berechtigung zur Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes (JAV) gemäß § 573 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO).
Der am 12. Januar 1964 geborene Kläger übte in der Zeit zwischen seiner Schulentlassung und dem Beginn des Studiums an der P.-Universität M. im Juli und August 1983 eine Aushilfstätigkeit bei dem Bauunternehmen H. G. GmbH aus. Während dieser Tätigkeit erlitt er am 26. August 1983 einen Arbeitsunfall mit schwerer Vorfußquetschung und als deren Folge den Verlust der 2. bis 4. Zehe rechts.
Die Beklagte gewährte dem Kläger zunächst eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 v.H. und ab dem 1. September 1984 nach einer MdE von 30 v.H. Als JAV wurde der Mindestbetrag, d.h. 60 % der Bezugsgröße für das Jahr 1983, zugrunde gelegt. Seit dem 1. August 1985 bezieht der Kläger eine Rente nach einer MdE von 20 v.H.
Der Kläger hatte im Oktober 1983 sein Studium begonnen. Er teilte der Beklagten unter dem 15. Oktober 1984 mit: „Ich studiere im Hauptfach Politikwissenschaft, in den Nebenfächern Soziologie und Geschichte mit erstrebtem Studienabschluß Diplom. Gemäß Regelstudienzeit ist mein Studium im September 1988 beendet. Über- bzw. Unterschreitungen sind dabei jedoch nicht auszuschließen. Mein Berufsziel ist Journalist. Wie weit sich der Arbeitsmarkt nach meinen Berufswünschen richten wird, steht einstweilen aber dahin.” Am 10. Januar 1989 teilte der Kläger der Beklagten mit, er werde sein Studium der Politikwissenschaften aller Voraussicht nach im Wintersemester 1989/90 abschließen. Die von ihm angestrebte Berufstätigkeit liege im Bereich des Journalismus, ggf. der wissenschaftlichen Politik- und Verbandsberatung. Angesichts der problematischen Arbeitsmarktlage für Politikwissenschaftler sei dies jedoch ein unverbindlicher Wunsch, der sich ggf. nicht oder nicht sofort realisieren ließe. Aufgrund weiterer Nachfragen der Beklagten berichtete der Kläger unter dem 1. Februar 1991, er befinde sich in der Abschlußphase des Hauptstudiums. Für die sich anschließende Diplomarbeit sei, je nach Forschungsorientierung, ein Zeitraum von zwei bis drei Semestern zu veranschlagen. An seinem Berufsziel einer journalistischen Tätigkeit habe sich nichts geändert. Im Juli 1993 teilte der Kläger mit, er habe seine Ausbildung an der P.-Universität M. beendet. Seit dem 1. Januar 1993 sei er freiberuflich als Fernsehredakteur und Autor bei der Deutschen Welle TV beschäftigt. Sein monatliches Einkommen betrage ca. 4.500,00 DM. Im August gab er an, er habe die Universität ohne akademischen Abschluß verlassen, da die Möglichkeit zum Berufseinstieg nur kurzfristig habe erfolgen können und er deshalb seine Diplomarbeit nicht mehr begonnen habe. Studienziel sei die Absolvierung des Diplomstudienganges Politikwissenschaft gewesen, um darauf aufbauend ein Volontariat möglichst in einem TV-Sender mit Berufsziel Journalist zu absolvieren. Unverhoffterweise sei ihm die Erlangung des Berufszieles jedoch ohne Hochschulabschluß und Volontariat gelungen. Neben dem Studium habe er als Öffentlichkeitsreferent der Studentenschaft und als Abgeordnetenmitarbeiter im Hessischen Landtag gearbeitet. So habe er allein durch diese Tätigkeiten ein fachliches Qualifikationsniveau erreicht, das dem Diplomabschluß in Politikwissenschaft bzw. einem Volontariat vergleichbar sei.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 17. August 1993 eine Neuberechnung des JAV ab. Das Studium sei aus Gründen abgebrochen worden, die nicht unfallbedingt seien.
In seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, sein Berufsziel sei stets gewesen, als Journalist zu arbeiten. Er habe zur Erlangung dieses Berufsziels seine Ausbildung beendet, ohne – wie bis dahin angestrebt – das Studienziel (Politikwissenschaft) mit Diplomtitel abzuschließen. Das Berufsbild des Journalisten kenne keinen verbindlichen bzw. fest umrissenen Ausbildungsweg. Diesem eigentümlichen Sachverhalt trage der Gesetzgeber Rechnung, indem er die Berufsbezeichnung nicht schütze und damit auch nicht hinsichtlich der Ausbildung normiere. Um als Journalist bei überregionalen Qualitätszeitungen bzw. Rundfunkanstalten tätig zu sein, empfiehlten die Berufsverbände bzw. die Bundesanstalt für Arbeit die Kombination von Fachstudium und Volontariat als erfolgversprechendsten Ausbildungsweg. Diesen Ausbildungsweg habe er erheblich abgekürzt, indem er ohne Studienabschluß (Diplom) die Berufstätigkeit aufgenommen habe. Seine Tätigkeit als Öffentlichkeitsreferent und Abgeordnetenmitarbeiter im Hessischen Landtag sei dem Ausbildungsweg zugehörig, weil seine Tätigkeit als Öffentli...